Neuss Azubis üben sich in sozialer Verantwortung

Neuss · In Kooperation mit der Caritas hat das Neusser Unternehmen Hydro elf Auszubildende als Praktikanten in soziale Projekte vermittelt.

 Einige der Azubis haben bei ihrem Praktikum in der Radstation am Hauptbahnhof mit Langzeitarbeitslosen und Suchtkranken zusammengearbeitet.

Einige der Azubis haben bei ihrem Praktikum in der Radstation am Hauptbahnhof mit Langzeitarbeitslosen und Suchtkranken zusammengearbeitet.

Foto: woi

Elias Wahl ist erschüttert. "Ich hätte nie gedacht, dass so etwas in unserer unmittelbaren Umgebung möglich ist", sagt der 19-Jährige. Während seines Praktikums im Sozialraum der Neusser Caritas im Barbaraviertel hat der junge Mann bedürftige Menschen betreut. "Ich sollte eine Frau zum Einkaufen begleiten. Als ich sie abholte, sah ich, dass ihr Mann im Rollstuhl sitzt. Das Ehepaar wohnt in der fünften Etage. Es gibt keinen Aufzug. Der Mann hatte die Wohnung schon seit Jahren nicht verlassen - unfassbar."

Drei Monate haben Wahl und sein Kollege Halil Altunas bei der Caritas gearbeitet. Sie sind Auszubildende im zweiten Lehrjahr des Neusser Hydro Werks. Ihr Arbeitgeber hat sie und neun weitere Lehrlinge in Kooperation mit der Caritas in Praktika in sozialen Projekten vermittelt. "Wir möchten das Bewusstsein der jungen Leute für gesellschaftliche Verantwortung schärfen", sagt Ausbildungskoordinator Christoph Glasmacher. Dirk Jünger von der Caritas lobt das Projekt: "Viele Firmen schlagen uns vor, etwa an zwei Vormittagen einen Kindergarten zu streichen - aber nur, wenn wir das Material stellen. Das ist nicht unsere Vorstellung von gesellschaftlicher Verantwortung. Das Projekt von Hydro dagegen ist sinnvoll und nachhaltig."

Nachhaltig beeindruckt sind Halil Altunas und Elias Wahl von ihrem Praktikum im Neusser Norden definitiv. "Das Barbaraviertel ist ein sozialer Brennpunkt. Die Luft dort ist schlecht und es ist extrem laut", schildert Halil Altunas, der im Rheinwerk zum Elektriker ausgebildet wird. Es gebe keinen Supermarkt, keine Apotheke und nur einen Arzt. "Die Leute haben kaum Geld und viele sind alt. Zum Einkaufen oder zum Facharzt müssen sie weite Strecken fahren. Dabei kann sich kaum jemand ein Auto leisten", berichtet der angehende Industriemechaniker Elias Wahl. Die beiden 19-Jährigen sind sich einig, durch das Praktikum einen neuen Blick auf die Welt bekommen zu haben: "Jetzt wissen wir erst richtig zu schätzen, wie gut es uns geht."

Das haben auch Andre Peschke und Christoph Behnke erfahren. "Wir haben in der Radstation am Hauptbahnhof gearbeitet. Außer uns waren dort nur Langzeitarbeitslose und Suchtkranke", erzählen die Auszubildenden. Sie würden sich um die Räder der Kunden kümmern, sie reparieren, warten und putzen. "Wir haben natürlich mit angepackt. Bei der Arbeit und in den Pausen haben wir uns viel unterhalten und gemerkt, das sie Menschen wie wir sind. Sie hatten Pech im Leben oder haben Fehler gemacht. Das war sehr aufschlussreich", sagt Christoph Behnke.

Die angehenden Industriekaufleute Jessica Krutzek und Lukas Köllner haben bei der Hausaufgabenbetreuung "Erfolg" der Caritas für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund geholfen. "Es hat viel Spaß gemacht", sagt Krutzek. Die 19-Jährige und ihr Kollege haben polnische Wurzeln. "Deshalb hat uns das Projekt vielleicht besonders begeistert. Wir wissen, wie es ist, wenn man Zuhause niemanden nach der korrekten deutschen Rechtschreibung fragen kann", sagt Jessica Krutzek. Ihr Kollege Lukas Köllner hebt einen weiteren Aspekt hervor: "Bei der Hausaufgabenbetreuung finden die Jugendlichen Ansprechpartner, die ein offenes Ohr für ihre Probleme haben."

(NGZ)
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