Neuss Bankgeschäft bleibt Vertrauenssache

Neuss · Am Nikolaustag nahm Michael Schmuck (59), Vorstandsvorsitzender der Neusser Sparkasse, auf dem blauen NGZ-Sofa Platz - und sprach unter anderem über Niedrigzinsen, Regulierung und die gute Konjunktur im Rhein-Kreis Neuss.

 Rund 75 Minuten stellte sich Michael Schmuck (l.) den Fragen von NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten.

Rund 75 Minuten stellte sich Michael Schmuck (l.) den Fragen von NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten.

Foto: woi

Der Vorstandsvorsitzende kommt, wie man es von einem Bankier erwartet: Pünktlich, im schwarzen Anzug, mit schwarzen Schuhen und konservativem Brillen-Gestell. Mehr Seriosität geht nicht. Schnell kommt das Gespräch auf die ganz großen Themen. Zum Einstieg gibt es an diesem Nikolaustag aber eine Frage mit Tagesbezug. Schließlich ist Michael Schmuck zu Gast auf dem blauen NGZ-Sofa, wo es immer auch die Gelegenheit gibt, Gäste etwas persönlicher kennenzulernen. Also: Kommt der Nikolaus auch zum Vorstandsvorsitzenden der Neusser Sparkasse? Die Antwort: Ja, der Stiefel von Michael Schmuck war am Dienstagmorgen eckig. Darin: Eine Flasche Wein im Geschenk-Karton. Auf der Arbeit wurde der Chef dann zum Geber. "Meine Frau backt Plätzchen, und ich versorge meine Mitarbeiter mit den kleinen Geschenk-Tüten. Manchmal ist ja schenken auch schöner als beschenkt zu werden", sagt Schmuck.

Das war es dann aber schon mit den privaten Informationen. Zu spannend sind die anderen Themen: Wie hat sich die Welt verändert, seitdem Schmuck im Oktober 2010 zum ersten Mal auf dem blauen NGZ-Sofa Platz nahm? Damals war er noch ganz neu auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden. "Seitdem hat sich Vieles grundlegend verändert", sagt Schmuck. Angefangen mit der Finanzmarktkrise, die aus den USA rübergeschwappt ist und 2009 für eine Wirtschaftskrise in Deutschland sorgte. Die Folge: Das Bruttoinlandsprodukt sank um fünf Prozent.

"Damals hatten auch manche Unternehmen in unserer Region Umsatzeinbrüche von 50 Prozent", erinnert sich Schmuck. Erstaunlich gering seien die langfristigen Auswirkungen dessen gewesen. "Die Sparkasse hat auch und gerade in schlechten Zeiten eng mit ihren Kunden zusammengearbeitet. So konnten viele diese Durststrecke überstehen", sagt Schmuck. Ein unheimlicher Reputationsgewinn der Sparkassen sei die Folge gewesen. Dennoch sei das Geschäft der Bank heute stark erschwert. Denn die Regulierung des Bankensektors traf auch die Sparkasse. "Wir werden mit Dingen überzogen, die in Teilen unangemessen sind", sagt Schmuck. Das koste "viel Man-Power". Hinzu kommt der Leitzins von null Prozent, der den Zinsertrag senkt, von dem Banken eigentlich leben. "Das nimmt uns die Möglichkeit, Erträge zu generieren. Gleichzeitig müssen wir aber mehr Eigenkapital vorhalten. Das macht es nicht einfach für uns", sagt Schmuck, der selbst bei emotionalen Themen den Tonfall der sachlichen Analyse nie aufgibt. Das höchste der Gefühle ist der Satz: "Dass große Privat-Banken mit Milliarden-Summen gerettet wurden und dann ein kostenloses Giro-Konto anbieten, ist eigentlich eine Frechheit."

Und selbst den spricht er ohne Erregung in der Stimme. Die Neusser Sparkasse nehme jedenfalls eine Gebühr. Was dafür in Zukunft möglich sein wird, auch darüber spricht der Chef sehr offen. Das Filialen-Netz werde sich verkleinern. Schon heute würden die Neusser ja hauptsächlich Geld-Automaten (24 Mal im Jahr) und die Sparkassen-App (etwa 200 Mal im Jahr) nutzen. "Unsere Kunden kommen im Schnitt nur noch ein Mal im Jahr in die Geschäftsstelle", sagt er.

Lange überlegt Schmuck, als er mit einem Zitat von Bill Gates konfrontiert wird. Der hat mal gesagt: "Wir brauchen Banking, keine Banken." Gefragt ist hier Schmucks Zukunftsvision vom Geschäftsmodells einer Bank. Gespannte Stille im Raum. Dann sagt der 59-Jährige: "Transaktionen können digitalisiert werden, aber eine Entscheidungsfindung von Menschen kann ein Gerät niemals übernehmen. Denn da geht es um Emotionen und Vertrauen."

In den 75 Minuten streifen Schmuck und NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten komplett durch den Rhein-Kreis, Deutschland und Europa. Schmuck gibt Tipps zur Altersvorsorge, empfiehlt zu sparen, spricht über das ungewöhnlich innige Verhältnis der Deutschen zum Bargeld, lobt den Mittelstand im Rhein-Kreis ("Unserem Wirtschaftsstandort geht es vergleichsweise sehr gut."), beschreibt einen Wandel in der Firmenkultur bei Verantwortlichen der Neusser Sparkasse ("Führungskompetenz ist für uns wichtiger als Fachkompetenz.") und plädiert für ein starkes Europa: "Der Euro ist eine große Chance für jedes Mitgliedsland. Deutschland hat das genutzt. Unsere Exportwirtschaft profitiert vom Wechselkurs des Euro." Immer klar und sachlich, nie ausweichend antwortet er. Bei einigen Themen lässt er dann doch Spielraum für Interpretationen. Etwa bei der Frage der Ausschüttungen an die Inhaber. Die hatte es zuletzt nicht gegeben - aufgrund der schwierigen Situation der Sparkasse. Und versprechen will er eine Ausschüttung nicht. Aber zumindest so viel lässt sich der Bank-Chef entlocken: "Die derzeitige Situation ist nicht für die Ewigkeit gebacken."

(NGZ)
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