Neuss Bedrohte Arten sind im Rheinbogen zuhause

Neuss · In dem vier Kilometer langen Naturschutzgebiet es gelungen, auch vom Aussterben bedrohte Tiere wieder anzusiedeln.

Neuss: Bedrohte Arten sind im Rheinbogen zuhause
Foto: Lothar Berns

Der Gemeine Odermennig, das Echte Seifenkraut oder der Zottige Klappertopf - diese und unzählige andere Pflanzen mit mehr oder weniger kuriosen Namen wachsen an einem besonders schützenswerten Abschnitt des Rheinufers: dem Uedesheimer Rheinbogen. Das Naturschutzgebiet zieht sich über etwa vier Kilometer entlang des Flusses und hat wegen seiner Artenvielfalt überregionale Bedeutung. Selbst die Ansiedlung eigentlich ausgestorbener Arten ist dort geglückt; ein Schlüssel zum Erfolg ist auch die Kooperation von Natur- und Gewässerschutz und Landwirtschaft.

Neuss: Bedrohte Arten sind im Rheinbogen zuhause
Foto: Stephan Kaluza/Rheinprojekt-Editio

"Das Gebiet um den Uedesheimer Rheinbogen ist ein besonders abwechslungsreicher Auenbiotop-Komplex", erklärt Michael Stevens, wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der Biologischen Station im Rhein-Kreis Neuss. Auenwaldreste, Flachland-Glatthaferwiesen oder Kalk-Halbtrockenrasen machen das 91 Hektar große Gebiet zu einem Unikat. Es ist Teil des EU-Projekts "Natura 2000" - einem Netz von Rückzugsgebieten, das zum Schutz gefährdeter Arten errichtet wurde. Grundlage ist die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (siehe Infokasten).

"Das Nebeneinander der vielen verschiedenen, teilweise seltenen, Arten macht den Reiz des Schutzgebiets aus, den man in einem Ballungsraum wie hier nicht erwarten würde", sagt Stevens, während er einige Blüten des Wiesenknopfs begutachtet. Die Pflanze mit den länglichen, auberginefarbigen Blüten ist ein echter Lebensretter, ohne sie wäre ein wichtiges Projekt der Biologischen Station nicht denkbar: die Wiederansiedlung des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings. "Der Schmetterling war hier ausgestorben. 2007 haben wir damit begonnen, ihn wieder anzusiedeln", erzählt Stevens. Die Falter, deren Flügel eher schokoladenbraun als blau sind, ernähren sich in frühen Entwicklungsstadien ausschließlich vom Wiesenknopf, danach leben sie von Ameisenbrut. Auch anderen gefährdeten Tierarten bietet der Uedesheimer Rheinbogen einen Lebensraum. Unter Naturschützern hat der Fund eines Flussufer-Wolfsspinnenmännchens vor drei Jahren Aufsehen erregt. Seit 1990 wurden nur drei Vorkommen der vom Aussterben bedrohten Art am Unteren Niederrhein bekannt. Die Spinne, deren Körper eine Länge von bis zu 17 Millimetern erreicht, lebt in kiesigem Flussbett, wie das Rheinufer es bietet.

Dass mitten im Naturschutzgebiet Rinder auf dem artenreichen Grünland weiden, gefährdet den Bestand von Flora und Fauna nicht. "Landwirtschaftliche Betriebe kooperieren mit den Naturschützern, indem sie etwa die Wiesen noch nicht - wie sonst üblich -, im Mai mähen, sondern erst im Juni, wenn alle Pflanzen ihre Samen verteilt haben", erklärt Stevens. Ist der Heuertrag durch die spätere Mahd geringer, erhalten die Landwirte Ausgleichszahlungen.

Ähnliches passiert beim Wasserschutz in diesem Gebiet. "Gewässerschutz und Landwirtschaft sind nicht immer leicht zu vereinbaren", sagt Stefan Alef, Leiter der Abteilung Anlagenplanung und -Betrieb bei den Neusser Stadtwerken. Unter dem Motto "Kooperation statt Konfrontation" arbeiten Land- und Wasserwirtschaft aber seit 18 Jahren gemeinsam am Schutz des Trinkwassers. "Das Ziel ist, die Trinkwasserversorgung sicherzustellen und gleichzeitig die Existenzfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe zu gewährleisten", erklärt Alef. Schwerpunkte sind, den Einsatz von Düngemittel zu minimieren und zu vermeiden, dass Pflanzenschutzmittel in Grund- und Oberflächengewässer gelangt. "Es funktioniert gut, das Bewusstsein für den Gewässerschutz ist bei den Landwirten vorhanden", so der Stadtwerke-Mitarbeiter.

Um das Bewusstsein für die Natur zu schärfen, veranstaltet die Biologische Station immer wieder Informationsspaziergänge durch die Schutzgebiete, vor allem im Frühjahr, wenn die Pflanzen und Kräuter blühen, erzählt Michael Stevens. "Es ist leichter, die Menschen für den Umweltschutz zu begeistern, wenn sie die ganze Schönheit der Natur bewusst erleben können."

(NGZ)
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