Neuss Bella Italia - auf den Spuren der Eismacher

Neuss · Das Clemens-Sels-Museum widmet sich bis zum 17. September in einer Ausstellung den "Italienischen Eismachern am Niederrhein". Die Schau weckt mit Exponaten und Geschichten Erinnerungen - und das Verlangen nach Eis.

 Ein Raum im Clemens-Sels-Museum wurde umgebaut zum "Eiscafé Venezia". Das große Foto an der Wand zeigt die Belegschaft des Neusser Eiscafés Zampolli im Jahr 1950.

Ein Raum im Clemens-Sels-Museum wurde umgebaut zum "Eiscafé Venezia". Das große Foto an der Wand zeigt die Belegschaft des Neusser Eiscafés Zampolli im Jahr 1950.

Foto: Helga Bittner

Einige der wichtigsten Fragen beantwortet diese Ausstellung nicht. Etwa: Was ist ein Muss - Eis im Hörnchen oder im Becher? Was schmeckt besser - Schokolade, Vanille oder Cassis? Aber Verlangen weckt sie - nach einem schönen kühlen Eis aus einer richtigen Eisdiele (natürlich im Waffelhörnchen!), das die derzeitigen Temperaturen erträglicher macht. Die aktuelle Hitzewelle konnte aus Sicht der Kuratoren gar nicht besser über das Rheinland schwappen: nämlich passend zur Ausstellung "Gelato! Italienische Eismacher am Niederrhein", die sich sowohl im Titel wie im Konzept der Kuratoren Carl Pause und Charlotte Kons nahtlos in das Museumsprojekt "Unterwegs" des Kulturraum Niederrhein einfügt.

Dabei ist die Idee schon zehn Jahre alt und stammt noch von dem vor zwei Jahren verstorbenen stellvertretenden Museumschef Thomas Ludewig. "Aber wir mussten es ständig verschieben", sagt sein Nachfolger in Sachen Volkskunde, Carl Pause, der nun Exponate herbeigeschafft und zusammen mit Charlotte Kons Geschichten der Eismacher-Familien recherchiert hat - von Neuss über Meerbusch, Kleinenbroich und Moers bis hin nach Mönchengladbach.

 Uta Husmeier-Schirlitz, Aduo Vio, Charlotte Kons, Riccardo Simonetti und Carl Pause am alten Wagen eines (rad-)fahrenden Eismachers.

Uta Husmeier-Schirlitz, Aduo Vio, Charlotte Kons, Riccardo Simonetti und Carl Pause am alten Wagen eines (rad-)fahrenden Eismachers.

Foto: Woi

Denn die Ausstellung will erzählen. Von dem Werdegang des Speiseeis, einst als Luxus dem Adel vorbehalten, von den Menschen, die vor 100 Jahren aus den Dolomiten an den Niederrhein kamen und das "Speiseeis populär machten", wie Pause erklärt. Mit umgebauten Fahrrädern waren sie unterwegs, stießen bei den Einheimischen zunächst auf Misstrauen und avancierten dann mit ihren Eiscafés und -dielen zu Treffpunkten einer kommunalen Gesellschaft.

Die Ausstellung will viel, aber kann auch viel. Sie macht anschaulich, warum so viele Italiener zu Beginn des 19. Jahrhunderts an den Rhein aus den damals bitterarmen Dolomiten (vor allem aus zwei Tälern) kamen - und blieben. Sie zeigt die Entwicklung des Handwerks vor der Erfindung der Kühlmaschine bis zu den Ingredienzien eines guten Speiseises heute. Etliche Exponate wurden dafür zusammengetragen, alte Fotos gesammelt und neue von Eiskreationen gemacht, die mit den Ausstellungsstücken zu Installationen zusammenwachsen. Ein Schwerpunkt ist die Geschichte der Neusser Eis-Familie Zampolli, aber auch Eismacher aus anderen Städten haben Exponate beigesteuert.

Eisessen ist auch ein Gefühl, das unweigerlich wieder hochkommt, wenn man das von Martin Habel, dem Technischen Leiter des Museums, nachgebaute "Eiscafé Venezia" betritt. Unter den silbernen Hauben befinden sich zwar nur eistypische Geruchsproben, dafür sind die Silberschalen in den Vitrinen echt. Sie gehören der Eis-Dynastie Zampolli, haben bei einem Nachbarn den Zweiten Weltkrieg überstanden (die Zampollis waren zurück nach Italien, kamen aber zurück) und sind längst durch die pflegeleichteren Glasschalen ersetzt.

"Gelato!" ist dabei nicht nur eine Schau, sondern animiert auch zum Lesen und Zuhören. Viele kleine Bildschirme sind montiert, die Interviews widergeben, etwa mit Aduo Vio von der Asseciazone Bellunesi nel mondo, der viele der Exponate als Leihgaben beigesteuert hat und ein profunder Kenner der Eismacher-Geschichte ist. Mit den Worten "Eis ist ein wahres Wundermittel" hatte Museumschefin Uta Husmeier-Schirlitz eingangs die Köstlichkeit beschrieben. Stimmt, und sogar ein Fall fürs Museum.

(hbm)
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