Neuss Betreuungsvereine schlagen Alarm

Neuss · Diakonie, SKM und SkF baten Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zum Gespräch. Sie leiden unter steigenden Kosten für die Betreuung von Menschen mit Unterstützungsbedarf und geraten so ins Defizit.

 Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe kam mit Stefanie Sassenrath (SkF) und anderen Vertretern von Betreuungsvereinen zusammen.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe kam mit Stefanie Sassenrath (SkF) und anderen Vertretern von Betreuungsvereinen zusammen.

Foto: woi

Die drei Betreuungsvereine in Neuss - die Diakonie, der Sozialdienst Katholischer Frauen (SkF) sowie der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) - haben ein existenzielles Problem: Die Vergütungssätze sind seit 2005 nicht mehr angehoben worden, mit ihren Betreuungsleistungen erwirtschaften sie deshalb mittlerweile ein Minus. Betreuungsvereine in anderen Städten mussten ihre Arbeit aus finanziellen Gründen bereits einstellen oder haben eine Einstellung zum Ende des Jahres angekündigt. Die Einladung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in die Räume des Sozialdienstes Katholischer Frauen auf der Bleichstraße gestern Vormittag war deshalb so etwas wie ein Hilferuf. Der Minister nahm den Sachverhalt auf, konnte aber keine Versprechungen machen - bis auf diese: Anfang Januar wird man sich erneut treffen.

"Es ist nicht fünf vor Zwölf, sondern bereits fünf nach Zwölf", erklärte SkF-Geschäftsführerin Ruth Braun. Bundesweit seien die Sorgen bei den Betreuungsvereinen groß. Ihre zentrale Forderung: "Der Stundensatz muss von derzeit 44 auf mindestens 52 Euro erhöht werden." Außerdem müsse eine Anhebung der zurzeit festgelegten Zeitkontingente erfolgen. Philip Benning, zweiter Vorsitzender des SKM, sprach in diesem Zusammenhang von einer Zunahme von "Hammer-Fällen", die extrem zeitaufwendig seien und Ehrenamtler oft überforderten. Was die Betreuungsvereine so ungeduldig macht: Eine Überprüfung ist zwar in Auftrag gegeben worden, aber mit einer Entscheidung, ob und in welcher Höhe die Stundensätze erhöht werden, ist erst 2019 zu rechnen. "Das könnte für uns zu spät sein", gab Ruth Braun zu bedenken.

Worauf Stefanie Sassenrath hinwies: "Der Aufwand für die Betreuung von Menschen außerhalb von Einrichtungen ist größer als in solchen" Gleiches gelte für die Begleitung von mittellosen Klienten, die von Betreuern bei der Bewältigung der Alltagsfragen und -probleme unterstützt werden. Sie erinnerte daran, dass einem Sozialdienst, der sein Angebot reduziert einstellt, auch Ehrenamtler wegbrechen.

"Das würde brutal teuer werden", erkannte Hermann Gröhe. Stefan Buttgereit, Generalsekretär des SKM-Bundesverbandes machte auf eine andere Problematik aufmerksam: "Früher hatte jeder Betreuer 20 bis 25 Fälle und war damit ausgelastet. Jetzt sind es um die 50 Fälle - und man muss sich die Frage stellen, wo denn da die Grenze liegt." Gröhe erfuhr unter anderem, dass nicht nur die Betreuung an Demenz Erkrankten sehr aufwendig ist, sondern auch die von jungen Menschen mit psychischen Problemen oder einer Suchtproblematik - gerade deren Zahl habe deutlich zugenommen.

Gröhe erklärte, die Studie, in der es wohl auch um eine Anpassung der Vergütung geht, sei vom Justizministerium für August 2017 angekündigt worden, liege aber vermutlich schon im November vor. "Ich kann nicht versprechen, ob das entsprechende Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann", erklärte Gröhe und schob den Ländern den Schwarzen Peter zu: "Wenn es um eine Vergütungsverbesserung geht, muss der Bundesrat zustimmen und es ist offen, ob er dies tun wird." Das nannte SKM-Generalsekretär Buttgereit schlicht ein Unding.

(NGZ)
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