Neuss Betriebsübergabe mal anders: Riemel macht Angestellte zu Chefs

Neuss · Es ist nicht leicht, sich von seinem Betrieb zu trennen und in andere Hände zu geben. Josef Riemel hat es getan und ist glücklich damit, dass seine Mitarbeiter nun Chefs sind. Er hatte auch keine andere Wahl.

 Josef Riemel bereitet seine eigene Nachfolge vor: Er gibt Teile seines Dachdeckerbetriebs an seine Mitarbeiter ab und zieht sich zurück.

Josef Riemel bereitet seine eigene Nachfolge vor: Er gibt Teile seines Dachdeckerbetriebs an seine Mitarbeiter ab und zieht sich zurück.

Foto: Andreas Woitschützke

1982 übernahm der heute 55-Jährige den Dachdecker-Betrieb von seinem Vater. Schon mit 22 Jahren stieg er in das Unternehmen ein. Damals arbeiteten gerade einmal sieben Beschäftigte für die Riemel Bedachungen GmbH, das Material lagerte in fünf Garagen, der Umsatz lag bei 580 000 Mark. Heute sind es fünf Millionen Euro Umsatz, bis zu 35 Mitarbeiter und eine Ausstellung, die mit den Garagen von einst gar nichts mehr zu tun hat. Zu schade, um das florierende Unternehmen aufzugeben. Aber genau das wäre passiert, weil es keinen Nachfolger für das Unternehmen gab. "Meine Tochter hat die Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau abgeschlossen, wollte den Betrieb aber nicht übernehmen", sagt Riemel.

Also machte er seine Mitarbeiter zu Chefs. Der Betrieb ist mittlerweile aufgeteilt in mehrere Firmen, Riemel hält Anteile daran, 50 Prozent der Anteile überschrieb er aber seinen besten Mitarbeitern. Die Unternehmen firmieren nun unter der Riemel Dachfenster GmbH und der Riemel Kranverleih GmbH. "Ich habe mich aus dem operativen Geschäft komplett herausgezogen", sagt Josef Riemel. "Ich bin nur noch fürs Controlling und die Großkundenpflege da. Beide Gesellschaften haben sich sensationell entwickelt." Damit ist der Prozess der Betriebsübergabe, den er vor fünf Jahren begann, aber noch nicht abgeschlossen. Die nächsten Unternehmensanteile sollen in eigene Gesellschaften für Flachdächer und Spitzdächer unterteilt und ebenfalls Mitarbeiter als Geschäftsführer und Mitgesellschafter eingesetzt werden. Die neuen Mit-Chefs führen für ihre Anteile Gewinne an Riemel ab.

Paul Neukirchen, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Niederrhein, lobt: "Das ist vorbildlich gelöst. Arbeitsplätze bleiben erhalten, das Wachstum kann weitergehen." Die Unternehmensnachfolge ist für viele Chefs ein großes Problem. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes finden 40 Prozent der Inhaber keinen passenden Nachfolger. Nur 15 Prozent der Firmen werden durch Mitarbeiter übernommen - wie bei Riemel. Der 55-Jährige hat mit seinen Mitarbeitern und Co-Chefs nun Ziele formuliert, wie die Firmengruppe in fünf Jahren dastehen soll. "Dann könnte ich gehen, und alles läuft ohne mich weiter."

(angr)
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