Neuss Bücher mit zwei Leben

Neuss · Veraltet, verschlissen oder ungenutzt – das sind die Kriterien, nach denen in der Stadtbibliothek immer wieder Bücher aussortiert werden. Entweder gehen sie gleich in den Abfall oder auf einen Flohmarkt.

 Bibliothekarin Ursel Hebben mit alten Schätzchen.

Bibliothekarin Ursel Hebben mit alten Schätzchen.

Foto: L. Berns

Veraltet, verschlissen oder ungenutzt — das sind die Kriterien, nach denen in der Stadtbibliothek immer wieder Bücher aussortiert werden. Entweder gehen sie gleich in den Abfall oder auf einen Flohmarkt.

Alte speckige Bücher, durch zahllose Hände gegangen, bekleckert und voller Bakterien? Die Zeiten, in denen man solche uralten Schmöker in der Stadtbibliothek fand, sind längst vorbei. Statt abgegriffener Bazillenhorte stehen neue, oft neueste Bücher zur Auswahl, aktuell, appetitlich und sauber, nicht selten frisch aus dem Handel.

"Alte, abgegriffene Bücher will ja ohnehin niemand lesen", weiß Bibliothekarin Ursel Hebben aus Erfahrung. Regelmäßig gehen deshalb die Mitarbeiter durch die Regale, schauen den Bestand kritisch durch und sortieren aus: "Veraltet, verschlissen oder ungenutzt — das sind die Kriterien, nach denen wir aussortieren", erklärt sie und zeigt ein Buch mit erheblich eingerissenem Rücken: "Bücher mit solchen Schäden kommen weg."

Nichts mehr für die Ewigkeit

Aber könnte man den Schaden nicht mit solidem Klebeband beheben? "Ein Buch vom Buchbinder reparieren zu lassen, kostet 40 Euro, da ist es in den allermeisten Fällen günstiger, eine neue, womöglich auch aktuellere Ausgabe zu beschaffen", erläutert die Bibliothekarin. Auch Bücher, die über Jahre im Regal ein Schattendasein führen und nicht ausgeliehen werden, werden aussortiert.

Ohnehin sind Bücher längst nichts mehr für die Ewigkeit, sondern veralten eben so schnell wie Moden, Zeitgeist und Informationen sich ändern: "Im Durchschnitt ist ein Buch etwa acht Jahre im Verleih, viele Romane sind ja Verbrauchsliteratur, die nach einiger Zeit niemand mehr liest. Reiseführer sind schon nach zwei Jahren veraltet und müssen erneuert werden. Auch Steuerratgeber verlieren ihre Aktualität sehr schnell. Andererseits behalten wir große Werkausgaben aus der Literatur oder der Philosophie natürlich lange im Regal, selbst wenn sie nicht so oft ausgeliehen werden", erzählt Ursel Hebben.

DVDs überstehen in der Regel 50 bis 100 Ausleihen, je nachdem, ob die Nutzer pfleglich mit ihnen umgehen, CDs dagegen sind nach rund 50 Ausleihen nicht mehr zu gebrauchen. Kaputte Medien wandern in den Müll, Brauchbares dagegen auf den Bücherflohmarkt, der drei Mal im Jahr große Resonanz findet: "Manche tragen vom Flohmarkt ganze Waschkörbe voller Bücher hinaus", sagt die Bibliothekarin und wundert sich.

So machen die alten Bücher Platz für die neuen, aktuellen, die oft schon am Erscheinungstag zur Verfügung stehen: "Da wir keine Außenstellen haben, sind die Wege bei uns sehr kurz und neue Bücher können schnell ausgeliehen werden." Jeder Bibliothekar betreut spezielle Fachgebiete, behält die Neuerscheinungen im Blick und wählt aus, welche angeschafft werden. Sobald sie eintreffen, werden die Bücher inventarisiert. Das heißt, mit einer Signatur versehen, systematisiert, also einem Fachbereich zugeordnet und in Folie eingebunden.

Nach der Schlusskontrolle stehen sie für den Verleih zur Verfügung und beginnen ihren Weg, fesseln oder langweilen, begeistern oder informieren viele Leser, bevor sie in einigen Jahren auf dem Flohmarkt ihr zweites Leben als Privatbuch beginnen.

(NGZ)
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