Schützenfest in Neuss "Hippeböck"-Fackel - ein Opfer der Zensur

Neuss · Der Grenadierzug wollte auf die Ungleichbehandlung der Vorortvereine bei den Sicherheitsauflagen hinweisen. Doch die Korpsführung bestand auf den Umbau der Fackel. Begründung: Die Fackel war schon in Grimlinghausen zu sehen.

 Ursprünglich wollte der Zug mit dieser Zeile auf eine Ungleichbehandlung hinweisen, doch das Grenadierkorps bestand auf einem Umbau.

Ursprünglich wollte der Zug mit dieser Zeile auf eine Ungleichbehandlung hinweisen, doch das Grenadierkorps bestand auf einem Umbau.

Foto: Hippeböck

Mit der laufenden Nummer 35 kommt heute Abend beim Fackelzug mit dem Grenadierkorps der Zug "Hippeböck" auf den Markt. "Pokemon-Jagd auf Neusser Art" ist das Thema seiner Großfackel, allerdings wollte die Truppe mit Schützen aus Grimlinghausen eigentlich "etwas mehr auf die Pauke hauen", wie es einer ihrer Chargierten ausdrückt. Doch ihre Zeile "Extrawurst am Neusser Schießstand?" fiel nur Stunden vor dem Fackelbaurichtfest bei der Korpsführung durch. "Das war wohl etwas zu hart", vermutet ein "Hippeböcker", denn das Korps verlangte noch am vergangenen Sonntag, dass die Fackel umgebaut wird - bevor sie jemand vom Komitee zu Gesicht bekommt. Die "Hippeböcker" sprechen sogar von Zensur.

Bürgermeister Reiner Breuer, selbst Grenadier, findet das befremdlich. "Auch beim Fackelzug sollte die Freiheit der Meinungsäußerung gewahrt bleiben", sagt Breuer, der die Hintergründe des ursprünglichen Fackelthemas kennt: Die Vorortvereine fühlen sich bei den Sicherheitsauflagen für die Schießstände schlechter behandelt als die Neusser Schützen. "Die Vororte mussten zahlen für ihre Sicherheit, die Neusser sind noch lange nicht so weit", las sich das ursprünglich auf der Fackel. "Die Problematik ist bekannt", sagt Breuer.

Werner Sültenfuß, Geschäftsführer der Bürgerschützen in Grimlinghausen, bestätigt diese "Anklage". "Uns wurde vor Jahren der Schießstand stillgelegt, und wir mussten für viel Geld einen neuen bauen", sagt er - und den Reuschenbergern sei es genauso ergangen. Auch die mussten sich in diesem Jahr eine neue Vogelstange anschaffen. "Eine Zweiklassengesellschaft", sagt Sültenfuß deutlich. Er fand es daher gut, dass der Jägerzug "Echte Hippelänger" das vor zwei Wochen beim Schützenfest in Grimlinghausen mit seiner Fackel auch so thematisierte und sogar auf Monitoren mit "dokumentarischen" Filmen auf die Unterschiede verwies.

Nun ist der Neusser Grenadierzug "Hippeböck" fast identisch mit dem Jägerzug aus Grimlinghausen, der seit 1998 Fackeln baut und beim Fackelbau-Wettbewerb in diesem Ortsteil fast ein Abo auf den ersten Platz hat. Was lag also näher, als die Fackel heute Abend auch in der Stadt zu zeigen? Wo doch das Thema auch die Neusser angeht?

Doch mit dieser Ansicht waren die "Hippeböck" allein. Grenadier-Hauptmann Michael Graeff bestand auf einem Umbau - und das mit voller Rückendeckung des Vorsitzenden Rainer Halm. Der weist den Zensur-Vorwurf zurück. "Wir diskutieren schon, was auf uns zukommen könnte", sagt Halm, der Schaden vom Korps abwenden möchte. Doch das verhindere nicht die Auseinandersetzung mit kritischen Themen. Schließlich bekommt heute Abend auch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auf einer Fackel sein Fett weg. Was die "Hippeböck" heute auf dem Markt zeigen wollten, fiel schlicht als Doublette durch. "Jede Fackel muss vom Thema abweichen, das die Urform hatte", stellt Halm klar. "Es darf in Neuss keine Fackel mitlaufen, die in der gleichen Form schon einmal gezeigt wurde."

So schluckten die "Hippeböck" ihre Verärgerung runter und bauten um. Im Nachhinein sind sie fast froh darüber. Pokémon sei sicher das populärere Thema. Unverfänglicher ist es allemal.

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(-nau)
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