Neuss Das Epanchoir kann nun geflutet werden

Neuss · Die Rekonstruktion der Wasserkreuzung aus napoleonischer Zeit ist fertig gebaut. Die Anlage soll ab Herbst zu einem Besuchermagnet werden.

 Blick aufs noch wasserlose Epanchoir an der Nordkanalallee (rechts) / Ecke Selikumer Straße (vorn), wo sich Nordkanal (oben) und Obererft kreuzen.

Blick aufs noch wasserlose Epanchoir an der Nordkanalallee (rechts) / Ecke Selikumer Straße (vorn), wo sich Nordkanal (oben) und Obererft kreuzen.

Foto: Lber

Klaus Karl Kaster (74) lobt ein "fulminantes Bauwerk", das die Liste der Neusser Sehenswürdigkeiten verlängert. Mehr als zehn Jahre treibt der stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins die Idee voran, dass Epanchoir an der Nordkanalallee zu rekonstruieren. Jetzt sind die Bauarbeiten abgeschlossen, nur noch die Metallgeländer fehlen. Wenn Mitte August das Stauwehr geflutet wird, wenn auch die (Grün-)Anlagen gestaltet sind, das Trafogebäude als Info-Station umgewidmet ist, Schautafeln und Stelen stehen, dann kann dieses mehr als 200 Jahre alte technische Denkmal französischer Ingenieurkunst aus napoleonischer Zeit auch offiziell durch Bürgermeister Breuer den Neussern übergeben werden.

Die Kosten gibt Kaster mit "rund 1,3 Millionen Euro" an. Dabei rechnet er 800.000 Euro nicht ein, die von den Stadtwerken Neuss für Kanalarbeiten investiert werden mussten, denn die, so Kaster, seien "sowieso fällig" gewesen. Der Verein der "Freunde & Förderer des historischen Nordkanals" mit seinem Vorsitzenden Christoph Napp-Saarbourg an der Spitze habe über die Jahre hinweg Förder- und Spendenmittel in Höhe von einer halben Million Euro eingesammelt. Für Napp-Saarbourg und Kaster besteht kein Zweifel, dass sich die Investition gelohnt hat. Das Duo führt drei Argumente an: die Rekonstruktion einer einzigartigen Ingenieurleistung, die stadtplanerische Aufwertung einer unscheinbaren Fläche und der Aufbau einer Anlaufstelle, die Neusser und Besucher über die so genannte Franzosenzeit in der Stadt und im Rheinland informiert.

Die erhoffte Folge: "Das Epanchoir wird Menschen anlocken", sagt Napp-Saarbourg, der als Vorsitzender der Zukunftsinitiative Innenstadt Neuss (ZIN) auch Mitverantwortung für den Marketingauftritt der Stadt trägt. Ausflügler und Radler könnten dort Halt machen, wünscht sich der Vorsitzende des Fördervereins, "und Schulklassen können dort am Epanchoir mehr über ein wichtiges Kapitel der Stadtgeschichte lernen".

Das Epanchoir ist das bedeutendste Zeugnis einer kolossalen Idee, die Napoleon seinen Ingenieuren zur Realisation überließ: Mit dem Nordkanal von Neuss nach Venlo wollte er eine schiffbare Verbindung zwischen Rhein und Maas schaffen, die später bis nach Antwerpen verlängert werden sollte. Ein wirtschafts- und verkehrspolitisches Projekt von europäischer Bedeutung, das die Ingenieure forderte. 21 Höhenmeter trennen die beiden Flüsse. Um sie zu überwinden, waren neun Schleusen geplant. Welche Rolle kam dem Neusser Epanchoir zu? Es wurde dort errichtet, wo sich Nordkanal und die Obererft kreuzen, die vor allem Wasserkraft für die Mühlen in der Stadt herbeiführte. Es mussten zwei Funktionen verknüpft werden: Der Zufluss aus der Obererft wurde benötigt, um den Kanal zu speisen und gleichzeitig die Mühlen zu versorgen. Die Dosierung erfolgte über das Epanchoir.

Geschichte und Ingenieurskunst werden mit der Rekonstruktion an der Nordkanalallee erlebbar. Eine von zwei geplanten Stelen wird dort errichtet, wo Napoleon 1809 bei der Einweihung stand. "Der ideale Ort für ein Selfie", sagt Napp-Saarbourg, "dort stehen, wo Napoleon gestanden hat". Das Epanchoir der Ingenieure ist geblieben, der Nordkanal, der strategische Handelsweg der Politik, wurde nie beendet.

(-lue)
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