Neuss Das Model unter den Musikern

Neuss · Der Klarinettist Andreas Ottensamer ist als Musiker ein Überflieger. Der 26-Jährige aus Wien tritt heute Abend mit dem Asasello-Quartett im Zeughaus auf.

Neuss: Das Model unter den Musikern
Foto: Lars Borges/Mercury

Was bleibt einem Kind schon anders übrig, als Musiker zu werden, wenn der Vater und der große Bruder Klarinettisten sind, die Mutter als Cellistin erfolgreich ist? Naja, aus Andreas Ottensamer hätte auch - zumindest theoretisch - ein Tennis- oder Fußballspieler werden können. Viele Stunden hat er als Jugendlicher vor allem auf dem Tennisplatz verbracht, mit dem Bruder später sogar einen eigenen Fußballverein gegründet. Aber natürlich wurde er doch Musiker. Klarinettist, wie Vater Ernst und Bruder Daniel. Es hätte auch das Klavier werden können, denn mit vier Jahren saß der 1989 in Wien geborene Sprössling der Musikfamilie Ottensamer bereits an dem Tasteninstrument. Oder das Cello. 14 Jahre war Andreas Ottensamer alt, als er mit dem Studium des Instruments der Mutter begann. Vier Jahre später aber wechselte er zur Klarinette.

Warum? Für ihn ist die Antwort einfach. Die Klarinette, ihr Klang war immer da, gehört zu seinem Leben im Wiener Elternhaus, und so brauchte Andreas Ottensamer keine Initialzündung, um zum Instrument des Vaters und Bruders zu wechseln. "Natürlich gibt es in solchen Fällen zwei Optionen", sagt er, "entweder entsteht ein Überdruss an dem, was Vater und Bruder machen, oder es fühlt sich als schöne Sache an." Bei ihm stand das zweite außer Frage, auch weil er schon früh den "Spaßfaktor" erkannte, den das Spielen zu dritt hervorruft. Heute kennt man die drei Ottensamers auch als Trio "The Clarinotts". Konkurrenzgefühle gegenüber dem älteren Bruder oder von diesem gegen ihn gebe es nicht: "Wenn man sich die Biographie meines Bruders anschaut, kann das auch nicht sein", sagt er lachend. Daniel spielt bei den Wiener Philharmonikern, ist als Solist weltweit unterwegs.

Aber trotzdem ist Andreas Ottensamer nicht in Wien geblieben, sondern nach Berlin gegangen. "Das war auch der Situation am Markt geschuldet", sagt er ganz nüchtern, "In Wien war damals auf acht Jahre hinaus keine Stelle frei." In Berlin aber wurde er 2009 als Stipendiat in die OrchesterAkademie der Berliner Philharmoniker aufgenommen. Das ist für ihn im Nachhinein "der richtige Schub" gewesen. Schon ein Jahr später, 2010, bekam er die Solostelle im Deutschen SymphonieOrchester Berlin.

Steil nach oben schien sein Weg zu führen, aber dem großen Traum vom Soloklarinettisten bei den Berliner Symphonikern setzten diese einen Dämpfer auf, als sie den jungen Kollegen nach der Probezeit doch nicht wählten. Dass das auch eine Art erzieherische Maßnahme gewesen sein könnte, für diesen jungen Mann, dem es an Selbstbewusstsein nicht mangelte und der zudem Modelqualitäten zeigte, mag Andreas Ottensamer heute, vier Jahre später, nicht so sehen. Er sieht lieber "die schwere Verantwortung", als Orchestermusiker Kollegen (und auch Dirigenten) auszuwählen.

Außerdem ist die Sache für ihn gut ausgegangen. Im zweiten Wahlgang setzte er sich durch, ist jetzt seit 2011 Soloklarinettist bei den Berliner Philharmonikern. Und wenn es nach dem 26-Jährigen geht, ist er das in fünf Jahren auch noch. Er sieht sich zunächst weiter in Berlin, liebt die Arbeit mit dem Orchester und kann diese zudem wunderbar mit seinen solistischen Auftritten verbinden. Wie eben jetzt beim Konzert im Zeughaus mit dem Asasello-Quartett, mit dem er zum ersten Mal spielt. Helga Bittner

(NGZ)
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