Neuss "Das Whitesell-Werk ist nicht zu retten"

Neuss · US-Konzern will deutsche Werke nicht abgeben. Gewerkschaft und Betriebsrat rechnen im Januar mit Kündigungen.

 In der Schraubenfabrik gab es schon etliche Betriebsversammlungen, zuletzt aber selten gute Nachrichten.

In der Schraubenfabrik gab es schon etliche Betriebsversammlungen, zuletzt aber selten gute Nachrichten.

Foto: LH

Beim Automobilzulieferer Whitesell gehen die Lichter aus. Davon geht der Betriebsratsvorsitzende Karlheinz Salzburg ebenso aus wie Herbert Napp. "Das war´s", sagt der Bürgermeister nicht ohne Resignation nach einer Betriebsversammlung am Donnerstag. Und selbst der stets zum Kampf entschlossene Bevollmächtigte der IG Metall, Nihat Öztürk, gibt zu: "Eine Chance, das Werk zu halten, besteht nicht mehr. Da müsste ein Wunder passieren." Einen Zeitplan für die Werksschließung kennt keiner von den dreien, auch die NGZ konnte von Arbeitgeberseite keine Stellungnahme bekommen. Doch ein Detail steht fest: "Der Januar wird der Kündigungsmonat", sagt Salzburg.

Seit Anfang des Jahres gehört das 1876 als "Rheinische Schrauben- und Mutternfabrik" gegründete Unternehmen zum amerikanischen Whitesell-Konzerns. Der übernahm die deutschen Teile der indischen Firmengruppe Ruia, zu der bis dahin auch das Neusser Werk gehörte, aus einem seit 2012 laufenden Insolvenzverfahren. Belegschaft und Gewerkschaft hatten sich mit Händen und Füßen gegen den neuen Investor zu wehren versucht und fanden sich schnell in ihrer Skepsis bestätigt. Erst blieben Großkunden und damit Aufträge weg, dann, im Juli, kündigte Whitesell eine Restrukturierung seiner Werke in Deutschland und die Halbierung der 1300-köpfigen Belegschaft an.

Für den Standort Neuss - die Deutschland-Zentrale - und seine 300 Mitarbeiter war kein Platz mehr in der neuen Konzernstruktur. Gegen diese Pläne ging die Belegschaft an allen Standorten auf die Straße. Whitesell soll die deutschen Werke wieder freigeben, war ihre Forderung. Doch der Konzern weigert sich. Damit scheitert jeder Plan B.

Die erste Option sah vor, dass die Belegschaft das Unternehmen in Eigenregie weiterführt. Das scheiterte schlicht am finanziellen Risiko. "Jeder hätte zuerst Bares überweisen müssen", sagt Salzburg. Mehr Erfolg erhoffte sich die Belegschaft von einem Modell, das Bürgermeister Herbert Napp ins Gespräch brachte: Die Stadt erwirbt Grundstück, Gebäude und Maschinen der Schraubenfabrik, um einem möglichen Investor den Einstieg zu erleichtern. Als Partner, der die Firmen-Hardware pachten sollte, war erst ein französisches Unternehmen identifiziert worden, das aber, so Napp, "mehr Interesse an den Aufträgen als an der Firma hatte". Zuletzt führte die Stadt Gespräche mit einem deutschen Unternehmen, an deren Ende ein "Letter of intend", eine schriftliche Absichtserklärung beider Seiten, stand. Doch das Interesse dieses Unternehmens erlosch nach Gesprächen mit der Whitesell-Führung abrupt. Von da an ging es nur noch um eine gute Lösung für die Belegschaft. Einen Sozialplan und damit die Gründung einer Auffanggesellschaft lehnte der US-Konzern ebenso ab wie einen Interessensausgleich, sagt Napp. Das Unternehmen stelle sich vielmehr auf den Standpunkt, als "Start-up-Unternehmen", also als Neugründung, diese Instrumente nicht einsetzen zu müssen. Diese Regelung besteht in der Tat - aber nur in den ersten vier Jahren. Beharrt Whitesell auf dem Standpunkt, müsste die Gewerkschaft klagen. Diese Frage ist eine von vielen, die bei der IG Metall derzeit erörtert wird. Mitte Dezember soll es Ergebnisse geben. Öztürk: "So etwas habe ich noch nie erlebt."

(NGZ)
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