Mitschnitte: Telefongespräche mit Prominenten Der Papst stand nicht auf seiner Liste

Mitschnitte: Telefongespräche mit Prominenten · Saal 14 im Amtsgericht. Donnerstag ein Taubenschlag. Im Fünf-Minuten-Takt wechselten die Personen im Zeugenstand, wo unter anderem der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe und auch Landrat Dieter Patt Platz nehmen mussten. Als Zeugen aufgerufen wurden sie, weil sich der Angeklagte W. aus Neuss in seinem Kampf "Einer gegen den Rest der Welt" auch an sie gewandt hat. Meist telefonisch.

Das an sich ist nicht verboten. Allerdings zeichnete der 44-Jährige die Gespräche heimlich auf, kopierte sie auf CDs und brachte diese unter dem Titel "Chronik der Willkür - Die große Verlade" in Umlauf. Das geht zu weit, befand Amtsrichter Heiner Cöllen, der dem Angeklagten für diesen Verstoß gegen die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes eine Geldstrafe von 1200 Euro aufbrummte. Diese kann der Sozialhilfeempfänger, den nach eigenen Angaben eine Million Euro Schuldenlast drücken, in Raten zu zehn Euro abstottern.

Das Urteil am Donnerstag basiert auf sechs Einzelfällen. Doch in der Hauptverhandlung wurde schnell klar, dass nur eine Essenz aus einer viel größeren Zahl mitgeschnittener Gespräche verhandelt wurde. "Da fehlt eigentlich nur der Papst", staunte Cöllen angesichts der Namensfülle. Kardinal Meisner dagegen fehlt nicht. Auch den CDU-Politiker Dr. Helmut Linssen war er angegangen, Oskar Lafontaine, Klaus Kinkel, den Verfassungsschutz, die ZDF-Redaktion Frontal, und, und, und. Namen in Legion, die selbst W. zum Teil nicht mehr zuordnen konnte.

Namen auch aus Neuss; Thywissen zum Beispiel. "Ein netter Mensch", sagte der Angeklagte bitter, denn auch an dieser Stelle fand er nicht die gesuchte Unterstützung. Unterstützung bei was? Diese Frage musste Cöllen mehrfach stellen, ohne dass der Angeklagte die gewünschte Antwort in einem einzigen Satz geben konnte - oder wollte. Statt dessen kam er immer wieder darauf zu sprechen, warum sein nun zehn Jahre währender Kampf ein gerechter sei. Und dass er die Anrufe aufgezeichnet hat, weil niemand auf diesem Kreuzzug sein Weggefährte sein wollte.

Weltweit wollte er dieses angebliche Desinteresse aller Heimgesuchten dokumentieren, zeigen, "wie die einzelnen drauf sind". Mit einer psychischen Erkrankung konnte sein dabei fast missionarischer Eifer nicht erklärt werden. Ein Grund für eine Strafminderung aus dieser Ecke schied nach Meinung von Gericht und Gutachter aus. Vielmehr meinte der Psychologe Anzeichen für eine Ich-bezogene Persönlichkeit gefunden zu haben. W. sei wohl ein Mensch, der in Lebensschwierigkeiten gekommen ist, deren Bewältigung er jedoch nach außen delegiert hat.

"Die Verleugnung eigenen Fehlverhaltens hat keinen Krankheitswert", schloss der Psychologe. W. sei voll schuldfähig. Der wurde nicht müde, diese Lebenskrise als Folge permanenter Übergriffe staatlicher Stellen auf seine Person darzustellen. Dass er Probleme mit seinen Mietern bekam - Folge polizeilicher Einmischung. Dass sein Haus zwangsversteigert werden musste - Ergebnis einer "Enteignung durch Austrockung", Resultat einer von niemandem unterbundenen "existenziellen Vernichtung meiner Familie".

Im Glauben an sein vermeintliches Recht wehrte sich W. mit Anzeigen, Dienstaufsichtsbeschwerden und eben auch mit seinen CDs, die er auch bei Wahlkampfveranstaltungen verteilte. Eine "Chronik" drückte er bei solcher Gelegenheit in Düsseldorf einem Mann vom Staatsschutz in die Hand. Für Gerhard Schröder. Später sah sich dieser Beamte auf einer CD aus dem Hause W. selbst zweimal verewigt. Er erstattete Anzeige. Christoph Kleinau

(NGZ)
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