Johann Endres Designerdrogen sind auf dem Vormarsch

Neuss · Der Arzt für Suchterkrankungen erzählt, warum sie so schwer nachzuweisen sind und welche Auswirkungen sie haben.

 Dr. Johann Endres informiert zu Suchterkrankungen.

Dr. Johann Endres informiert zu Suchterkrankungen.

Foto: Augustinus-Kliniken

Der Jahresbericht der Drogen- und Jugendberatung Neuss (die NGZ berichtete) kommt zu dem Schluss, dass der Konsum neuer synthetischer Drogen auch in Neuss zunimmt. Wie ist Ihre Erfahrung als leitender Arzt der Abteilung für Suchterkrankungen des St.Alexius-/St. Josef-Krankenhauses?

Endres Durch Befragungen unserer Patienten - Alkohol-, Medikamenten- und Heroinabhängige - haben wir herausgefunden, dass deutlich mehr Menschen solche Drogen nehmen als ursprünglich angenommen. Dabei handelt es sich auch um Menschen, von denen wir es nicht erwartet hätten. So wie Alkoholiker aus bürgerlichen Kreisen, die zum Beispiel auch Amphetamine, synthetische Aufputschmittel, konsumieren. Denn früher spielten bei dieser Gruppe andere Drogen keine große Rolle. Insgesamt hat unserer Erfahrung nach der Konsum der neuen psychoaktiven Substanzen, wie sie in der Medizin genannt werden, in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen.

Wie haben Sie auf diese Erkenntnis reagiert?

Endres Seit anderthalb Jahren untersuchen wir unsere Patienten grundsätzlich auch auf andere Substanzen als Heroin, Kokain oder THC, da wir das bei der Behandlung wissen müssen. So haben wir auf der Station Johannes, auf der wir in erster Linie Heroinabhängige behandeln, einen Schnelltests auf Spice durchgeführt. Spice, das zu den sogenannten Cannabinoiden gehört und ähnlich wie Cannabis wirkt, wird im Labor synthetisch hergestellt und kann durch einen üblichen THC-Test nicht erkannt werden. Von 50 Tests seit Anfang des Jahres waren fast die Hälfte positiv. Andere psychoaktiven Substanzen können wir allerdings schlechter nachweisen.

Warum ist das so?

Endres Wir sprechen auch von Designerdrogen, also Drogen, die im Labor designet werden. Dabei werden chemische Strukturen verändert und so neue Substanzen geschaffen. Und das hat zwei gravierende Folgen: Zum einen fallen manche Stoffe nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, weil sie neu kreiert wurden. Sie sind also legal, obwohl sie genauso gefährlich wie andere Drogen sind. Zwar werden sie vom Gesetzgeber dann oft verboten, aber es gibt diese zeitlich Verzögerung. Zum anderen sind viele der Substanzen mit den herkömmlichen Schnelltests nicht nachweisbar. Zum Beispiel können Autofahrer, die unter dem Einfluss solcher psychoaktiven Substanzen stehen, bei Verkehrskontrollen unentdeckt bleiben. Die Untersuchungen zum Nachweis dieser Designerdrogen sind oft aufwendig und damit teuer.

Manche dieser Designerdrogen sind also legal und können nicht nachgewiesen werden. Ist es dann nicht ein harmloser Rausch?

Endres Auf keinen Fall. Denn es handelt sich um Substanzen, die alles andere als ungefährlich sind. In Internet werden, getarnt als Badesalze oder Pflanzendünger, sogenannte synthetische Cathinone verkauft. Diese Substanzen, die eine stark aufputschende Wirkung haben, können zu schlimmen Psychosen und Aggressionszuständen führen. Ähnliche Gefahren drohen von Methamphetaminen, die umgangssprachlich als Crystal Meth bekannt sind und die schnell abhängig machen. Und auch der Konsum von synthetischen Cannabinoiden wie Spice, die als Kräutermischungen verkauft werden, birgt erhebliche Risiken. Der Konsument kann nämlich nicht wissen, welche Stoffe in welcher Stärke wirken. Die Konzentration ist oft um ein vielfaches höher als bei Marihuana und kann leicht zu Panikattacken und Kreislaufstörungen führen.

Wie sieht Ihre Prognose für die Zukunft aus?

Endres Bisher sind Chrystal Meth und Cathinone hier in Neuss noch nicht so ein großes Thema wie in anderen Teilen Deutschlands. Vor allem in Bayern, Sachsen und Thüringen sind diese Drogen weit verbreitet, sie werden vor allem im nahegelegenen Tschechien produziert. Allerdings gehe ich davon aus, dass neue psychoaktive Substanzen und Crystal Meth auch verstärkt zu uns kommen. Und darauf bereiten wir uns vor.

JORIS HIELSCHER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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