Ansgar Heveling "Die CDU kann eine Schärfung gebrauchen"

Neuss · Der CDU-Bundestagsabgeordnete spricht über seinen Posten als Justiziar der Fraktion, die Groko-Verhandlungen und die Sicherheitspolitik.

 "Neben allen besonderen Aufgaben in Berlin ist mein Wahlkreis mein eigentlicher und erster Arbeitsschwerpunkt": Ansgar Heveling (45).

"Neben allen besonderen Aufgaben in Berlin ist mein Wahlkreis mein eigentlicher und erster Arbeitsschwerpunkt": Ansgar Heveling (45).

Foto: Detlef Ilgner

Herr Heveling, Sie sind jüngst zum Justiziar der CDU-Bundestagsfraktion gewählt worden. Was machen Sie eigentlich jetzt genau?

Heveling Ich gehöre damit zum geschäftsführenden Fraktionsvorstand, das ist der engste Führungskreis der Fraktion, und darf jetzt wesentlich die Justizpolitik mitbestimmen. Im Kern habe ich einmal nach innen die Aufgabe, rechtliche Themen wie Mitarbeiterfragen oder Fragen zur Geschäftsordnung, mit denen eine Fraktion konfrontiert wird, zu bearbeiten. Und sehr wesentlich bin ich in die Justiz-Personalpolitik, beispielsweise bei Richterbesetzungen an den Gerichtshöfen des Bundes, einbezogen.

Wie können Sie sich in dieser Funktion aktiv einbringen?

Heveling Ich gehöre ja weiterhin mehreren Ausschüssen an und habe da feste Zuständigkeiten, wenn Dinge aus diesen Bereichen an mich herangetragen werden, etwa bei Verfahren, die vor dem Bundesverfassungsgericht laufen. Über den Innenausschuss werde ich mich auch um das Thema Wahlkreis-Zuschnitte und andere Fragen unseres Wahlrechts kümmern.

Den Vorsitz im Innenausschuss haben Sie allerdings verloren. Hat Sie das geschmerzt?

Heveling Es war relativ früh erkennbar, dass die CDU den Vorsitz im Innenausschuss verlieren würde. Deswegen bin ich froh, dass ich jetzt eine interessante und spannende neue Aufgabe bekommen habe. Natürlich war der Vorsitz im Innenausschuss eine wichtige Funktion, vor allem hatte ich viele Möglichkeiten, unmittelbar Dinge kennenzulernen und mich öffentlich zu äußern. Gleichzeitig muss ich aber sagen, dass ich nun als Justiziar und im inneren Zirkel der Fraktion natürlich an entscheidenderer Schaltstelle bin. Denn die Grundausrichtungen im Tagesgeschäft der Fraktion werden im geschäftsführenden Vorstand besprochen. Als Ausschuss-Vorsitzender war ich mehr in der präsidialen Rolle, den Ausschuss zu repräsentieren. Das ist jetzt wieder mehr eine politische Kernaufgabe. Ich habe da also ein lachendes und weinendes Auge. Ich sehe die neue Aufgabe als einen weiteren Schritt nach vorn.

Wie haben Sie die Groko-Verhandlungen, als zwar nicht direkt Beteiligter aber doch direkt Betroffener, verfolgt?

Heveling Bei den Verhandlungen wurde ich natürlich bei vielen innenpolitischen Themen von den Unterhändlern zu meiner Beurteilung befragt. Und nun haben wir ein Ergebnis, über das wir beim Parteitag abstimmen werden. Und da werde ich einer von 1000 Delegierten sein. Und die SPD hat auch noch ihre Mitgliederbefragung.

Glauben Sie, bei der SPD könnte noch was passieren?

Heveling Ich kann überhaupt nicht beurteilen, wie das innerhalb der SPD ist. Sie hat sich für diesen Weg entschieden. Damit müssen wir umgehen. Auch für uns beinhaltet der Koalitionsvertrag schmerzhafte Kompromisse. Aber es geht nun darum, handlungsfähig zu sein, und die Politik muss auch Handlungsfähigkeit zeigen können. Da kann ich nur hoffen, dass die SPD das auch so sieht.

Und wenn es noch schief geht?

Heveling Das würde sicherlich eine schwierige Situation heraufbeschwören. Es würde wohl zunächst zu einer Minderheitsregierung unter Führung der CDU führen. Aber das würde nicht politische Entscheidungen vereinfachen. Und Neuwahlen halte ich für die denkbar schlechteste Variante. Die Wähler haben am Wahltag die Möglichkeit, eine Person oder Partei zu wählen, der Aufgabe sind sie nachgekommen. Und dann ist es die Aufgabe der Gewählten, dafür zu sorgen, dass man auch eine handlungsfähige Regierung bekommt. Da kann man dann nicht einfach sagen: Weil es schwierig ist, geben wir das Mandat zurück und wir lassen noch mal neu wählen. Das wäre für unsere Republik insgesamt nicht gut.

In welchen Punkten sind Sie mit dem Koalitionsvertrag zufrieden und wo haben Sie persönlich Bedenken?

Heveling Das Ergebnis in der Innen- und Rechtspolitik kann sich wirklich sehen lassen. Das ist auch mein Kernbereich, mit dem ich tagtäglich zu tun haben werde. Die Justiz zu stärken, mehr in Personal zu investieren und Verfahren so zu verschlanken, dass die Justiz schnell entscheiden kann, das sind Dinge, mit denen ich sehr zufrieden bin. Das ist eine gute Grundlage, um deutlich zu machen, dass der Rechtsstaat auch wehrhaft ist. Wo ich zumindest Fragezeichen sehe, ist das Thema Europa, das einen breiten Raum einnimmt. Da ist der Vertrag nicht sehr scharf, teilweise sehr schwammig formuliert.

Welchen Eindruck hat Angela Merkel bei den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen auf Sie gemacht?

Heveling Das Wahlergebnis hat keine einfache Ausgangslage erzeugt. Dann hatten wir die Sondierungen, die gescheitert sind. Ich glaube, man konnte bei ihr schon merken, dass der Wille vorhanden war, eine Regierung zusammenzubekommen, damit es weiter geht. Das muss man auch bedenken, wenn man sich jetzt die Ressortverteilung anschaut, die sicherlich schmerzlich ist für die CDU. Aber es ist die Grundlage, um jetzt eine stabile Regierung bilden zu können.

Es gibt aber auch Gegenwind aus der eigenen Partei und jüngere Kollegen wie Jens Spahn, die nun vorpreschen. Sie sind zwar schon seit acht Jahren Bundestagsmitglied, zählen aber noch zur jüngeren Generation. Fordern auch Sie mehr Umbruch in der CDU?

Heveling Da muss man unterscheiden. Bei der Ressortverteilung hätte ich mir sicherlich auch gewünscht, dass wir das Finanz- und das Innenministerium behalten. Beide sind wichtige Ressorts, bei denen man häufig auch auf neue Entwicklungen reagieren muss. Das andere ist die Schärfung des Profils der CDU. Und da glaube ich auch, dass es an der Zeit ist, etwas zu tun und jüngere Köpfe weiter nach vorne zu bringen. Denn es geht ja auch darum, im Jahr 2021 wieder Wahlen zu gewinnen. Wir können eine Schärfung gebrauchen. Ich glaube aber auch, dass Angela Merkel gesehen hat, dass es auch zu personellen Veränderungen und einer inhaltlichen Erneuerung kommen muss.

Welche Ziele haben Sie sich persönlich in Berlin gesteckt?

Heveling Zunächst möchte ich die Maßnahmen in der Justizpolitik, die im Koalitionsvertrag stehen, schnell umsetzen. Die personelle Aufstockung ist wichtig. Zuletzt hat man vielleicht ein wenig zu sehr auf den schlanken Staat geschaut. Wir rufen zu Recht nach einem starken Staat, aber dann muss man das auch personell unterlegen. Und wir müssen schauen, dass die Bedingungen für die Strafverfolgungsbehörden auf der Höhe der Zeit sind. Es gibt heute Merkmale wie die Augenfarbe, die man mit den heutigen technischen Möglichkeiten der DNA-Analyse zur Identifizierung nutzen kann, die dürfen bisher nur nicht in der Strafverfolgung verwertet werden. Diese rechtliche Hürde wollen wir jetzt überwinden.

Was ist Ihre persönliche Erfahrung: Wie wichtig ist das Thema Sicherheit in der Bevölkerung?

Heveling Ich merke schon, dass es von hoher Priorität ist. Und zwar in seiner ganzen Bandbreite. Das hat viel mit einem Unsicherheitsgefühl zu tun, etwa weil es eine hohe Quote von Einbruchdiebstählen gibt oder weil die offenen Grenzen in Europa leider auch Kriminellen Möglichkeiten bieten.

Dazu kommt allgemein das erhöhte Aggressionspotenzial in der Bevölkerung. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Heveling Das ist ein vielfältiges Problem und etwas, was wir seit längerem auch durch gesetzliche Maßnahmen in den Blick nehmen. Wir haben da in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Strafverschärfungen durchsetzen können, wenn es um Respektlosigkeit und Angriffe auf Polizisten oder Rettungskräfte geht. Nun müssen aber auch Gerichte und Staatsanwaltschaften diese Gesetze anwenden und Verfahren forcieren. Die Sensibilität ist bei diesem Thema auf jeden Fall höher geworden.

Ist es Ihnen auch schon passiert, dass Sie Hass-Mails bekommen haben oder richtig beschimpft worden sind?

Heveling Es ist nicht immer alles freundlich, was man bekommt. Es gibt Leute, die mich kritisch anschreiben zu gewissen Themen. Damit setze ich mich auseinander und gebe auch eine Rückmeldung. Aber bei denjenigen, die offensichtlich nur beleidigen wollen, hake ich das schnell ab. Wirklich bedroht worden bin ich noch nie. Und ich bin auch keiner, der sich besonders abschirmt, meine Telefonnummer steht weiterhin im Telefonbuch. Und in meinem Wahlkreis habe ich noch nie negative Erfahrungen gemacht.

Sie haben im vergangenen November den stellvertretenden Vorsitz beim Kreisparteitag der CDU verloren. Wie sehr hat Sie das getroffen?

Heveling Ich bin als Bundestagsabgeordneter nach wie vor Mitglied im Kreis-Vorstand, aber natürlich wäre ich lieber gewählt worden. Aber wenn sich um zwei Positionen drei Personen bewerben und die Ergebnisse dann noch so nah beieinander liegen, kann das eben passieren. Ich hadere nicht damit und nehme das nicht persönlich. Und auf meine Arbeit in meinem Wahlkreis hat das überhaupt keine Auswirkungen.

Nutzen Sie trotzdem die Gelegenheit, sich politisch neu aufzustellen und sich neue Ziele zu stecken?

Heveling Ich kümmere mich, seit ich 2009 in den Bundestag gewählt wurde, um alle Orte in meinen Wahlkreis sehr gleichmäßig intensiv. Neben allen besonderen Aufgaben in Berlin ist mein Wahlkreis mein eigentlicher und erster Arbeitsschwerpunkt. Was ich als ein wesentliches Thema in der Zukunft sehe, ist der Strukturwandel im Braunkohlerevier und die Frage um die Tagebau-Anschlussnutzung, die sich auch in meinem Wahlkreis durch Garzweiler II ergibt.

Sie sprachen eben die gute Vereinbarkeit Ihrer Arbeit in Berlin mit der im Wahlkreis an. Wie sieht denn ein klassischer Monat im Leben des Ansgar Heveling aus?

Heveling In einem klassischen Monat bin ich im Wechsel eine Woche in Berlin und eine Woche im Wahlkreis, wobei immer auch noch andere Dinge über den Wahlkreis hinaus zu erledigen sind. Beispielsweise habe ich Standorte der Bundespolizei besucht oder auf Konferenzen gesprochen. Das wird sich nun als Justiziar sicherlich mit dem Schwerpunkt, Gerichte und Staatsanwaltschaften zu besuchen, fortsetzen.

Wie viele Arbeitsstunden kommen da pro Tag zusammen?

Heveling Das lässt sich schwer sagen, denn es ist eine Arbeit ohne Stechuhr. Und das ist auch sehr unterschiedlich. Es gibt Phasen wie Ende 2015 bis Mitte 2016, wo wir in Berlin im Bereich der Asylpolitik im Akkord Gesetzesänderungen gemacht haben, aber auch ruhigere Phasen. Und dann gibt es im Wahlkreis auch Veranstaltungen, bei denen nicht so einfach zu sagen ist: Ist das noch Arbeit oder eine schöne, repräsentative Aufgabe. Vielleicht müssten Sie meine Frau fragen, wie viele Stunden zusammenkommen (lacht).

Gibt es da noch Zeit für Hobbys?

Heveling Glücklicherweise schon. Ich bin eine große Leseratte und nehme mir schon die Zeit, auch mal ein Buch anstatt einer Akte in die Hand zu nehmen.

Welches Buch liegt aktuell auf ihrem Nachttisch?

Heveling Aktuell lese ich das Buch eines Historikers über die Schlacht bei Waterloo. Es zeigt die geopolitische Gemengelage um 1815 aus verschiedenen Perspektiven. Das ist sicherlich keine leichte Kost, aber spannend, und ich bin sehr an geschichtlichen Zusammenhängen interessiert.

Zum Abschluss noch einmal zurück nach Berlin: Gibt es dort Kollegen, mit denen Sie besonders gerne zusammenarbeiten?

Heveling Wie in jedem Beruf gibt es auch bei mir Kollegen, die mir sympathischer oder unsympathischer sind. Das gilt für Kollegen aus der eigenen Partei wie aus anderen Fraktionen. Ich schätze zum Beispiel Jerzy Montag von den Grünen sehr. Als er noch im Bundestag war und ebenfalls im Rechtsausschuss saß, haben wir im Parlament immer die Klingen gekreuzt. Wir waren in der politischen Auffassung auch immer konträr, aber nach der Debatte sind wir uns immer mit gegenseitigem Respekt begegnet. Zu meinem FDP-Kollegen Otto Fricke, mit dem ich mir auch den Wahlkreis teile, habe ich ebenfalls einen sehr engen Draht. Und Günter Krings kenne ich noch aus Schülerzeiten, da haben wir noch nicht geahnt, dass wir mal beide im Bundestag sitzen. Das ist eine persönliche, enge Freundschaft.

THOMAS GRULKE, LAURA HARLOS UND GABI PETERS FÜHRTEN DAS GESPRÄCH

(NGZ)
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