Neuss Die Neusser CDU: Tendenz fallend

Neuss · Seit Reiner Breuer als erster sozialdemokratischer Bürgermeister das Rathaus eroberte, ist Neuss als CDU-Hochburg geschliffen. Das Wahldesaster vom vergangenen Sonntag war der vorläufige Tiefpunkt einer kontinuierlichen Talfahrt.

Mit 66,2 Prozent wurde Herbert Napp als Bürgermeister im Amt bestätigt. Parallel holt seine CDU (50,1 Prozent) die absolute Mehrheit. Die SPD versinkt derweil im Tal der Tränen. 26,2 Prozent für die Sozialdemokraten und ihren Fraktionschef Reiner Breuer; Parteifreund Dieter Koenemann, der Herbert Napp herausforderte, muss sich mit mickrigen 22,0 Prozent bescheiden. Verdamp lang her? Keineswegs. Gerade einmal zehn Jahre liegen die stolzen Ergebnisse der CDU zurück.

Längst sind die Rollen getauscht. Seit Sonntag steht fest: Reiner Breuer zieht triumphierend als erster sozialdemokratischer Bürgermeister ins Rathaus ein. Betriebsunfall? Keineswegs. Es ist bereits sein zweiter Sieg innerhalb von nur dreieinhalb Jahren. Schon im Mai 2012 jagte er überraschend Jörg Geerlings (CDU) das Direktmandat ab. Zwei sozialdemokratische Siege bei drei aufeinanderfolgenden Wahlen - das gab's in Neuss noch nie. Dazwischen lag nur die Bundestagswahl, die 2013 der damalige CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in seiner Heimatstadt (52,3 Prozent, Erststimmen) glatt gegen SPD-Mitbewerber Klaus Krützen (28,7) gewann. Mit dem heutigen Gesundheitsminister hatte die CDU aber ihren populärsten Politiker aufgeboten. Gröhe verkörpert wie kein anderer die CDU-Politik und genießt hohe Sympathie über Parteigrenzen hinweg. Hierzulande kommt ihm Parteifreund Hans-Jürgen Petrauschke noch am nächsten, der als "personifizierter Rhein-Kreis" soeben mit kreisweit 60 Prozent der Stimmen im Amt des Landrates bestätigt wurde. Gröhe und Petrauschke und wer noch? Heinz Sahnen dominierte die Landtagswahlen 2000 und 2005. Seit er den Wahlkreis unfreiwillig dem aufstrebenden Jörg Geerlings überlassen musste, bestellt er als Ratsherr sein politisches Altenteil in Erfttal. Und Geerlings? Dass er gewinnen kann, wie bei der Landtagswahl 2010 (45,6 Prozent) ist angesichts seiner Niederlagen schon fast in Vergessenheit geraten.

Der Neusser CDU geht das Personal aus. Mehr Quantität als Qualität. Es fehlt an gesellschaftlicher Relevanz in den Gremien und somit an relevanten Themen für die Gesellschaft. Das spürt der Wähler, auch der Stammwähler und wendet sich ab. Ein "Weiter so" verbietet sich. Patentrezepte für den personellen Neuaufbau und die programmatische Erneuerung gibt es nicht. Vielleicht fängt der Parteivorstand ganz simpel an und fragt einmal Dagmar Betz aus der Nordstadt. Die hat aus der Reformkommission von CDU-"General" Peter Teuber ein Thesenpapier mitgebracht. Da notiert unter "Funktions-, Amts- und Mandatsträger" zum Beispiel: "Mehr Durchlässigkeit, weniger Erbhöfe" oder "Mehr soziale Vielfalt bei Amts- und Mandatsträgern". Die Neusser CDU muss das Rad nicht neu erfinden. Sie muss nur ihre eigenen Mitglieder hören, die parteiinternen Papiere lesen und deren Erkenntnisse umsetzen, dann ist zumindest ein Anfang gemacht.

(-lue)
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