Neuss Die schräge Zähmung der Katharina

Neuss · Nur 105 Minuten braucht Regisseurin Holle Münster, um Shakespeares Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung" zu erzählen. Im Globe trumpft sie mit einer überaus schrägen, aber auch sehr amüsanten Inszenierung auf.

 Petruchio (Lukas Gander) und Katharina (Magdalena Wabitsch) sind ein Paar, das sich gesucht und gefunden hat.

Petruchio (Lukas Gander) und Katharina (Magdalena Wabitsch) sind ein Paar, das sich gesucht und gefunden hat.

Foto: Christoph Krey

Loriots Opa Hoppenstedt wäre begeistert: So viel Lametta ist selten. Wie ein Vorhang begrenzen silberne Fäden hinten an der Bühne die Spielfläche in dem ansonsten so nüchternen Globe-Raum. Es glitzert und glimmert im Scheinwerferlicht, dass man sich verwundert die Augen reibt: Ja, ist denn schon Weihnachten?

Nein, das nicht. Aber vielleicht ein Kindergeburtstag. Wenn auch von Erwachsenen, denn die stolpern alsbald auf die Bühne. In großen Schritten und recht wacklig, weil sie Plateauschuhe tragen, die Kothurnausmaße haben, und weil sie auf keinen Fall in die Zwischenräume zwischen den Holzplatten geraten wollen, die zu einem Steg gelegt sind. Wie Kinder beim Hinkekästchen-Spiel.

Und verkleidet sind sie, dass man sich eher in der "Rocky Horror Picture Show" oder zu Besuch bei "Shockheaded Peter" glaubt. Auf dem Programm aber steht Shakespeare. Seine Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung" in einer Inszenierung von Holle Münster für das Schauspielhaus Graz in Kooperation mit der Kunstuniversität Graz. In schlanke 105 Minuten hat Münster die Geschichte gepackt, Opulenz zeigt sie lieber im Äußeren. Edelmann Baptista, seine nette Tochter Bianca, ihre Verehrer Lucentio, Gremio und Hortensio sind ausstaffiert mit Reifrock, Mieder und High Heels, machen mit ihrer Maske Tim Currys Frank 'n' Furter scharfe Konkurrenz und wirken auch dank ihrer farbigen Perücken schön puppenhaft. Wobei karottenrote Haare als gemeinsames Merkmal die drei Freier kennzeichnen.

Schräg, ganz schräg hat Münster das Stück inszeniert, und Ausstatterin Thea Hoffmann-Axthelm hat ihr dafür das kongeniale Outfit wie auch Bühnenbild geschaffen.

Denn diese Gesellschaft in Padua dreht sich um sich selbst, erstickt fast an den eigenen Regeln und ist himmelweit von der Wirklichkeit entfernt. Dabei steigt die Regisseurin direkt in die Geschichte ein, ignoriert jeden Umweg. Bianca will heiraten, darf aber nicht, bevor sich jemand für ihre ältere Schwester Katharina findet. Was immens schwer ist, denn diese schlägt jeden in die Flucht. Bis Petruchio auftaucht, der beschließt, sie zu heiraten, und ihren Willen bricht.

Diese Komödie, in der es um Unterordnung und Gehorsam geht, tut sich schwer in unserer Gegenwart. Aber Münster umschifft diese Klippe, indem sie Katharina und Petruccio zu Außenseitern macht, die sich letzten Endes auf Augenhöhe begegnen. Ihr erstes Kräftemessen ist wenig appetitlich und überschreitet auch die Ekelgrenze manchen Zuschauers, aber es hat keinen Sieger und keinen Verlierer. Das gibt die große Linie vor.

Petruchio kommt als prolliger Cowboy-Verschnitt daher, trägt zur Hochzeit einen Leoparden-Tanga, haut mit seiner Katharina ab und zieht ihr vorher noch die blonde Perücke vom Kopf. Auch ihr schwarzes Kleid wird sie noch ablegen - wie überhaupt alles, was sie vorher noch mit ihrer Herkunft verbunden hat. Zum Schluss kommt es gar zum Show-down. Katharina erschießt alle im Hause ihres Vaters, den für diesen bestimmten finalen Schuss überlässt sie ihrem Mann Petruchio. Sie sind zu einem Paar geworden, das sich gesucht und gefunden hat.

Bei Münster funktioniert diese Lesart, weil sie ansonsten kaum etwas ernst nimmt. Mancher Gag ist vorhersehbar (Wo mag das gute Stück im "Fang-die-Wurst"-Spiel Petruchios mit Katharina wohl landen? Richtig: in seinem Schritt!), doch im Wesentlichen unterhält der Abend. Da kann man auch über manch schwache schauspielerische Leistung - etwa in den beiden Hauptrollen - hinwegsehen, stattdessen an anderen Freude haben: so bei Saladin Dellers als Gremio.

(NGZ)
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