Neuss Die Stunker lassen sich nichts verbieten

Neuss · Der Stunk des TaS karikiert religiösen Fundamentalismus, IS-Terror und den in Deutschland hilflosen Umgang damit.

 Das Lächeln festgetackert, die Haare im Eisschrank gefönt: Carolin Stähler gibt eine grandiose Karikatur von Ursula von der Leyen.

Das Lächeln festgetackert, die Haare im Eisschrank gefönt: Carolin Stähler gibt eine grandiose Karikatur von Ursula von der Leyen.

Foto: Holger Girbig

Entschuldigen muss sich der Neusser Stunk nicht. Aber vielleicht kurz erklären. Nach drei Stunden Spott, Satire, Comedy auf vieles, was diese Gesellschaft momentan so bewegt. Und das ist derzeit eben nichts besonders Friedliches. Und so greift Schauspieler Harry Heib mitten in den Schlussapplaus am Premierenabend der Neusser Stunksitzung zum Mikrofon. Er sagt: "Die Terroranschläge in Frankreich haben uns alle nicht unberührt gelassen." Stille. "Aber Satire muss alles dürfen. Und Sie tragen das alles mit." Das Programm des Neusser Stunk 2015 hat offenbar das Bedürfnis bei Darstellern und Autoren nach einer Klarstellung hinterlassen. Das hatte sich das Programm "Bombenstimmung - Möhnen an den Krisenherd" auch verdient, das sich nichts verbat. Und das pointiert, gut beobachtet und scharf kritisiert, aber ohne billige Effekthascherei auskommt.

Für die Rahmenhandlung schicken die Autoren Martin Maier-Bode, Jens Neutag und Sabine Wiegand eine schnelle Eingreiftruppe in den Nordirak, wo der IS wütet. Dummerweise hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Truppe mit Modenschauen und Kasperletheater derart auf zivile Arbeitgeber getrimmt, dass aus dem Heer eine klägliche Rasselbande mit Dreiviertelstelle geworden ist, von der abseits von Kindertagesstätten so viel Entschlossenheit ausgeht wie vom Dalai Lama auf Delfinjagd. "Brigade Bullerbü", wie der enttäuschte General Krailsheim (Heib) spottet. Von der Leyens Feldzug gegen die Wehrhaftigkeit der eigenen Truppe ist selten so präzise auf die Bühne gebracht worden. Carolin Stähler gibt eine perfekte Karikatur der Ministerin mit Stahlaugen und im Eisschrank geföhnter Blond-Mähne. "Den Rest erledigt mein Lächeln", flötet sie vergiftet.

Wenn nun aber aus der Bundeswehr ein Friedhof der Kuscheltiere geworden ist, müssen andere einspringen. Von der Leyen will Karnevalisten an den Krisenherd schicken ("Die sind gefährlich, weil alles Schläfer ab Aschermittwoch"), und dann kommt es zu einer der kritischsten Momente des Stunk: Als die zwei Jecken Piffel und Poffel an der Front ihren zotigen Humor auspacken, zücken die religiösen Fundamentalisten mit langen Bärten Maschinengewehre. Die Rheinländer singen: "Was sollen wir trinken, auch im Ramadan?" Und: "Hier tanzen gleich, die Mullahs auf dem Käse!" Sie ziehen den Salafisten Westen über mit "Sangria-Polizei"-Aufdruck. Und der Büttenredner setzt an: "Liebe Salafisten und Salafistinnen!" Das ist eine schonungslose Satire, bei der einigen Gästen im Saal das Lachen im Halse stecken bleibt, weil sie sich fragen: Darf man lachen? Wurde für so etwas gemordet? Dabei ist der Text schon lange vor den Terrorakten von Paris entstanden. Maier-Bode erklärt, sie haben die Zeilen bis zum Tag vor der Premiere nur ein wenig aktualisiert, oder besser präzisiert: Man scherzt über Fundamentalisten, über Salafisten, nicht den Islam.

Als der karnevalistisch-nordirakische Kulturaustausch erwartungsgemäß scheitert, kommt Kanzlerin Merkel die rettende Idee: Sie schickt "Wetten, dass..?" nach Tikrit und lässt Markus Lanz (grandios: Harry Heib) mit ausgeprägtem Desinteresse alles wegmoderieren und durch den Talk prügeln, was auch nur die Spur von Profil hat. Dafür bietet er eine als Stadtwette an: "Wetten, dass ihr es nicht schafft, zehn Imame zu finden, die auf einem Berg aus Hackfleisch den Koran verbrennen?"

Verleihung des Rekeliser-Ordens
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Da ist schon fast vergessen, dass zuvor ein großartiger Jens Kipping als Polizist mit seinem Diensthund Hasso auf einer fiktiven Pressekonferenz linke "Pegida"-Gegner attackieren durfte und somit rechtsextreme Gesinnung im Dienst entlarvt hat.

Manches muss man erklären. Aber selten so gestunkt.

(NGZ)
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