Bijan Djir-Sarai "Die Welt ist sehr gefährlich geworden"

Neuss · Beim Talk auf dem blauen NGZ-Sofa spricht der FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai über das Pendeln zwischen Berlin und der Heimat, das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen, außenpolitische Herausforderungen und die FDP im Kreis.

 Der Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai aus Grevenbroich stellte sich auf dem blauen NGZ-Sofa den Fragen von Chefreporter Ludger Baten.

Der Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai aus Grevenbroich stellte sich auf dem blauen NGZ-Sofa den Fragen von Chefreporter Ludger Baten.

Foto: woi

Herr Djir-Sarai, hinter Ihnen liegen intensive Sitzungswochen im Deutschen Bundestag. Am 16. April geht es weiter. Tut so eine Pause gut?

Bijan Djir-Sarai Natürlich hat man etwas mehr Zeit für private Dinge. Aber als außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion hat man auch nie wirklich Pause. Die Welt macht schließlich weiter.

Wie kriegt man den Spagat zwischen Berlin und der Heimat hin?

Djir-Sarai Sitzungswochen verbringt man als Abgeordneter in der Regel in Berlin, danach steht die klassische Wahlkreiswoche vor Ort an. Als Vorsitzender der Landesgruppe NRW der FDP-Bundestagsfraktion liegt es in der Natur der Sache, dass ich außerordentlich viel Zeit in NRW verbringe.

2013, als die FDP aus dem Bundestag flog, haben Sie miterlebt, wie sich ganze Lebenspläne an einem Wahlabend in Luft auflösen können. Dennoch haben Sie stets weiter Politik gemacht. Woher stammt Ihre Begeisterung dafür?

Djir-Sarai Erstens bin ich überzeugt: Es ist immer gut, wenn Menschen sich politisch engagieren. Zweitens funktioniert eine Demokratie nur, wenn Menschen mitmachen und sich einbringen. Und drittens: Für viele junge Menschen ist eine demokratische Gesellschaft selbstverständlich. Ich habe, auch aufgrund meiner Kindheit im Iran, andere Erfahrungen gemacht. Eine Demokratie ist nicht selbstverständlich, und genau deshalb muss man sich für sie einsetzen.

Schon in Ihrer ersten Legislaturperiode im Bundestag von 2009 bis 2013 waren Sie im Auswärtigen Ausschuss. Jetzt sind Sie außenpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion. Was hat sich seitdem verändert?

Djir-Sarai Die Welt hat sich verändert. Das Verhältnis zu Russland ist deutlich schlechter als 2013, die Türkei ist ein ganz anderes Land geworden. 2013 war ein Brexit undenkbar, ein US-Präsident Donald Trump schien undenkbar, und auch die Kriege und Krisen im Nahen und Mittleren Osten wurden in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen. Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015 gibt es aber in der Öffentlichkeit einen anderen Blick auf Außenpolitik. Die Menschen spüren: Die großen Konflikte spielen sich direkt vor der Haustür Deutschlands ab. Wir müssen die Probleme lösen oder zumindest kleiner machen, sonst kommen sie direkt zu uns. Es ist wichtig, weltpolitische Zusammenhänge zu verstehen.

Ist die Welt gefährlicher geworden?

Djir-Sarai Ja, die Welt da draußen ist sehr gefährlich geworden.

Brauchen wir eine stärkere Bundeswehr?

Djir-Sarai Angesichts der Herausforderungen in der Welt brauchen wir eine starke, funktionierende, einsatzfähige Bundeswehr. Und die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik muss sich verbessern. Es ist wichtig, dass Europa mit einer Stimme spricht, zumal wir uns perspektivisch in Richtung europäische Armee entwickeln müssen. Alleine kann kein Land die Herausforderungen meistern.

Was bedeutet das für den Umgang mit Russland?

Djir-Sarai Wir müssen unabhängig von den Sanktionen Russland einbinden. Dazu bedarf es eines kritischen Dialogs. Ich stehe in der Tradition Hans-Dietrich Genschers: Sicherheit in Europa gibt es nur mit Russland. Wir müssen Russland wieder in die Verantwortungsgemeinschaft holen. Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg.

Die FDP wurde stark dafür kritisiert, dass sie die Jamaika-Verhandlungen abgebrochen hat. Das bedeutet: Opposition statt Regierungsbank. Aber hat der SPD-Mann Franz Müntefering mit seinem Satz "Opposition ist Mist" nicht Recht?

Djir-Sarai Nein, Müntefering hat nicht Recht. Wir wollen als konstruktive Opposition mitgestalten. Was Schwarz-Gelb-Grün anbelangt: Ich verstehe, dass Jamaika für viele - auch Journalisten - ein Sehnsuchtsort ist. Aber wir waren da und haben festgestellt, dass es nicht geht. Die Inhalte haben schlicht nicht gestimmt. Und dann ist es konsequent zu sagen: ohne uns. Jamaika auf Bundesebene hat sich schnell als Reich der Phantasie entpuppt.

Bei der Landtagswahl hat die FDP im Rhein-Kreis Neuss das stärkste Ergebnis in NRW geholt, auch bei der Bundestagswahl lag man weit vorne. 2019 muss die Partei erklären, ob sie 2020 mit eigenen Bürgermeisterkandidaten ins Rennen geht. Wie ist da der Stand?

Djir-Sarai Ich bin überzeugt, dass wir als FDP bei den nächsten Wahlen im Rhein-Kreis historische Ergebnisse holen können. Aber es ist Aufgabe der Stadtverbände, ob sie eigene Kandidaten aufstellen und, wenn ja, wer diese Kandidaten sind.

Aber als FDP-Kreisvorsitzender können Sie doch Empfehlungen aussprechen.

Djir-Sarai Die FDP entscheidet solche Dinge nicht von oben herab. Wir haben sehr selbstbewusste Stadtverbände, dort ist das Thema in guten Händen und richtig aufgehoben.

Wird die FDP denn Landrat Hans-Jürgen-Petrauschke (CDU) erneut unterstützen oder einen eigenen Kandidaten benennen?

Djir-Sarai Für eine Antwort ist es viel zu früh. Klar ist: Die Zusammenarbeit mit der CDU auf Kreisebene ist ausgesprochen gut, und dass der Rhein-Kreis Neuss so stark dasteht, hat auch etwas mit Landrat Hans-Jürgen Petrauschke zu tun. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass er wieder gemeinsamer Kandidat von CDU und FDP wird.

LUDGER BATEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH. ANDREAS BUCHBAUER FASSTE DEN TALK AUF DEM BLAUEN NGZ-SOFA ZUSAMMEN.

(NGZ)
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