Interview Thomas Kaumanns Und Michael Ziege "Digitalisierung braucht Leuchtturmprojekte"

Neuss · Thomas Kaumanns (CDU) und Michael Ziege (SPD) führen die Zukunftskommission Digitale Agenda - und arbeiten an der Stadt der Zukunft.

 Thomas Kaumanns, Vorsitzender der Zukunftskommission, und sein Stellvertreter Michael Ziege im Gespräch mit NGZ-Redakteur Andreas Buchbauer.

Thomas Kaumanns, Vorsitzender der Zukunftskommission, und sein Stellvertreter Michael Ziege im Gespräch mit NGZ-Redakteur Andreas Buchbauer.

Foto: L. Berns

Digitalisierung, Smart-City, E-Government - die Zukunftskommission Digitale Agenda erstellt ein Handlungskonzept für die Stadt. Wie ist der Stand?

Thomas Kaumanns Wir sind auf einem guten Weg. Bis jetzt hatten wir zwei vertiefende Themensitzungen - da ging es um E-Government und Open Data. Bei unserer Arbeit werden wir von Michael Lobeck, Mitherausgeber des Buches "Die digitale Stadt der Zukunft", begleitet. Wir legen unseren Fokus auf Bereiche, die wichtig und zentral für die Stadt und die Verwaltung sind. Neuss soll auf dem Gebiet der Digitalisierung eine Vorreiterrolle einnehmen.

Klingt gut, ist aber ein weiter Weg. Wie sehen Sie die Stadt Neuss aufgestellt, zum Beispiel mit Blick auf digitale Verwaltungsangebote wie den Bürger Service Online?

Michael Ziege In Schulnoten würde ich eine zwei bis drei geben. Im Städtevergleich sind wir schon besser als andere, aber das soll ja nur der Anfang sein. Mit dem Handlungskonzept wollen wir die nächsten Schritte, auch mit Blick auf E-Government und mehr digitale Verwaltungsangebote, einleiten. Dafür müssen wir das Bewusstsein schärfen - und wir müssen natürlich begeistern: Politik, Bürger und Verwaltung.

E-Government ist ein gutes Beispiel. Laut European Digital Progress Report der EU-Kommission nutzen nur 19 Prozent aller deutschen Internetnutzer digitale Verwaltungsangebote. Woran liegt die Zurückhaltung?

Kaumanns Datenschutzbedenken sind ein Problem, aber natürlich muss der Nutzen digitaler Angebote noch bekannter werden. Und der Bürger muss einen konkreten Vorteil für sich erkennen: Zeitersparnis, einfache Handhabung, weniger Kosten - und sei es nur, weil man Wege spart.

Ziege Es fehlen sicher noch Leuchtturmprojekte, aber um diese umzusetzen, bedarf es auch Unterstützung aus der Verwaltung. Viele, auch in führenden Positionen, haben noch analog gelernt - mit dreifacher Unterschrift und so weiter. Sie tun sich naturgemäß schwerer, wenn es dann um digitale Signaturen und ähnliches geht. Wir brauchen also Kooperationspartner, um mehr Digitalisierung umzusetzen: Leute, die richtig Lust darauf haben, Neues auszuprobieren und alte Pfade zu verlassen.

Wie könnte ein Leuchtturmprojekt aussehen?

Kaumanns Es fehlt zum Beispiel noch an Dienstleistungen für jedermann. Der Anwohnerparkausweis wird jetzt nach langem Hickhack auf den Weg gebracht, aber er ist halt nichts für die breite Masse. Grundsätzlich muss gelten: Alles, was nicht zwingend persönlich geregelt werden muss, kann auch digital erledigt werden. Warum muss ich einen Brief fürs Anwohnerparken ins Rathaus schreiben und das Rathaus schreibt mir zwei zurück? Das ist doch vollkommen ineffektiv! Und wenn das Bürgeramt jetzt für 300.000 Euro umgebaut wird, damit das Warten angenehmer wird, ist es das falsche Signal. Für einen geringeren Betrag hätte man das Online-Bürgerportal deutlich ausbauen können - ohne lästige Wartezeiten.

Ein Problem bei der Digitalisierung sind viele unterschiedliche Lösungen. Jede Kommune, jedes Land und der Bund kochen ihr eigenes Süppchen. So kann es doch bei allen noch so gut überlegten Handlungskonzepten nichts werden. . .

Ziege Richtig, wir müssen standardisierte Modelle entwickeln. Das fängt bei dem, was wir steuern können, an - und ist auch ein Appell in Richtung Privatwirtschaft: Wenn wir über digitalisierte Modelle für das Bezahlen in Parkhäusern sowie Anreize für die Bürger, diese zu nutzen, sprechen, sitzen viele Akteure am Tisch: die Parkhausbetreiber, die Händler, die Stadt. Da dauert es, eine gemeinsame Standardlösung zu vereinbaren.

Kaumanns Am Ende geht es nur, indem jeder einen Mehrwert für sich hat: die Parkhausbetreiber einfache Angebote, um Kunden zu locken, die Innenstadt ein attraktives neues Angebot. Und ja: Natürlich wäre für E-Government ein großes gemeinsames Portal aller Kommunen wünschenswert. Wir brauchen Gesamt- und keine Insellösungen.

ANDREAS BUCHBAUER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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