Neuss Diskussion über Zukunft und Grenzen der Museumspädagogik

Neuss · Menschen - gleich welchen Alters oder welcher Herkunft, ob mit oder ohne Beeinträchtigung - Kunst und Stadtgeschichte nahe zu bringen, das war rund ein Vierteljahrhundert die Aufgabe von Lotte Sturm, die seit 1979 als erste Museumspädagogin am Clemens-Sels-Museum tätig war.

Damals eine regelrechte Pionierarbeit und der Künstlerin Lotte Sturm bis heute ein Herzensanliegen. Anlässlich ihres 80. Geburtstages gab es jetzt eine Festveranstaltung an ihrer früheren Wirkungsstätte, die sich "in Anerkennung ihrer Arbeit für das Haus" mit der Zukunft der Kunstvermittlung auseinandersetzte, wie Museumsdirektorin Uta Husmeier-Schirlitz einleitend sagte. Es wurde ein engagierter Diskussionsabend. Uta Husmeier-Schirlitz gelang es dabei, aktuelle Entwicklungen mit Erinnerungen an die Frühphase der Museumspädagogik zu verknüpfen.

"Im Allgemeinen taugen Kinder nicht zum Besuch von Kunstausstellungen und Museen", zitierte Uta Husmeier-Schirlitz eingangs einen Text von Anfang des 20. Jahrhunderts - eine Einschätzung, die auch Jahrzehnte später noch weit verbreitet war. Erst im Laufe der 1970er Jahre setzte dort ein Umdenken ein, und Lotte Sturm und das Neusser Clemens-Sels-Museum gehörten mit zu den Wegbereitern dieses Prozesses. Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass Kindern heute immer weniger Zeit und Raum zugestanden, zugleich immer mehr von ihnen gefordert wird. "Der künstlerische Bereich wird als Luxus behandelt", kritisierte die Neusser Medienpädagogin Bettina Schneidewin, die zudem beobachtet hat, dass schon Viertklässler "rational statt emotional auf Kunst zugehen".

Birgit van de Water vom Düsseldorfer Museum Kunstpalast konnte dies nur bestätigen: "Für Jugendliche muss ein Museumsbesuch heute zielführend sein, etwa wenn eine Klausur zu einem bestimmten Kunstthema ansteht." Die zeitliche Belastung der Heranwachsenden habe auch im Düsseldorfer Haus dazu geführt, dass Kurse immer mehr vom Nachmittag in den Abend oder aufs Wochenende verschoben würden.

Grenzen der Kunstvermittlung? Für Lotte Sturm verlaufen diese offenbar nicht bei der Sehfähigkeit. "Blinde haben mich sehen gelehrt", betonte sie mit Hinweis auf kaum wahrnehmbare Unterschiede römischer Tische, die nur zu ertasten seien. Das Museum Kunstpalast zieht eine Altersgrenze bei Kindern, für die erst ab dem Alter von vier Jahren spezielle Angebote gemacht werden, startet aber in Kürze ein Experiment mit einem neuen Format für Mütter mit Säuglingen. Ulf Sölter, stellvertretender Leiter des Clemens-Sels-Museums, berichtete von gut angenommenen Duftführungen und machte deutlich, dass Menschen mit Handicap oder Demenz keineswegs gesellschaftliche Randgruppen seien. Durchweg positive Erfahrungen hatten beide Häuser bereits mit Führungen für Flüchtlinge gemacht. Hier könne Kunst regelrecht Brücken bauen, versicherte Husmeier-Schirlitz.

(NGZ)
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