Neuss Ein Abend voller Glanz

Neuss · Das Solostück "Das kunstseidene Mädchen" nach dem Roman von Irmgard Keun hat das RLT für Anna Lisa Grebe auf den Spielplan gesetzt. Sebastian Zarzutzki führt Regie.

 Für RLT-Schauspielerin Anna Lisa Grebe ist die Rolle des "Kunstseidenen Mädchens" wie auf den Leib geschrieben.

Für RLT-Schauspielerin Anna Lisa Grebe ist die Rolle des "Kunstseidenen Mädchens" wie auf den Leib geschrieben.

Foto: Björn Hickmann

"Ein Glanz werden", aus der kleinbürgerlichen Heimatstadt ausbrechen und seinen Weg im pulsierenden Berlin der frühen 1930er Jahre machen. Das ist der große Traum der 18-jährigen Sekretärin Doris. Sie ist die Hauptfigur in Irmgard Keuns Roman "Das kunstseidene Mädchen". Den gibt es nun in einer Bühnenfassung und als Solostück auch im Rheinischen Landestheater zu sehen.

Nur mit Schauspielerin Anna Lisa Grebe, mit einem Klavier, einem Laufsteg und einem Kleiderständer. 75 Minuten lang. Und das funktioniert. Grebe schafft es, Doris Stimmung in den Aufs und Abs auf ihrem Weg greifbar zu machen. Sie geht förmlich auf in der Rolle des vorwitzigen Mädchens auf der Suche nach dem Glanz.

Die 28-Jährige Schauspielerin trifft auch in den schnellen Umschwüngen zwischen Euphorie und Traurigkeit den Ton. Sie kann den rotzig-frechen Humor von Doris genau so wie ihre jugendliche Neugierde zeigen. Sie kann ganz in den Träumen der 18-Jährigen aufgehen, sich verlieren in der Sehnsucht nach dem Glanz und einem besseren Leben. Und in Momenten des verzweifelten Leidens, wenn sie wieder von einem Mann enttäuscht wurde, spielt Grebe so, dass das Publikum mitfühlt mit ihr.

Das Stück scheint der Schauspielerin auf den Leib geschrieben zu sein. Angelehnt an die Theatervorlage von Gottfried Greiffenhagen haben RLT-Dramaturgin Alexandra Engelmann, Anna Lisa Grebe und Regisseur Sebastian Zarzutzki es überarbeitet. So bietet der Laufsteg Platz für choreografische Elemente: Grebe stolziert wie ein Model, tanzt, läuft, headbangt, posiert. Immer voller Kraft, voller Energie. Tanz, Musik und Gesang sind kunstvoll eingewoben.

Das bringt dem Stück neue Impulse und gipfelt etwa in einer Piano-Version von Madonnas "Material Girl", das Doris' Einstellung zu Geld und Männern erstaunlich gut in Musikform presst. Schließlich ist Doris voller Euphorie, wenn sie sich von einem edlen Herr aus der Gosse holen lässt. Sie liebt ihren Pelzmantel, das Negligé, den Reichtum. Und sie ist dem Glanz ganz nahe, als sie eine Sprechrolle am Theater bekommt. Zu "Material Girl" tanzt und singt Doris in einer Wolke von Seifenblasen. In mitreißender kindlicher Freude lässt sie einzelne Blasen platzen.

In der RLT-Version von "Das kunstseidene Mädchen" für Grebe geht es vor allem um die Entwicklung der jungen Frau. Die gesellschaftskritischen Elemente in Irmgard Keuns Fassung sind angedeutet, bleiben aber Nebenaspekt: Die Krisenjahre der Weimarer Republik geben die Kulisse, sind aber nicht das Thema. Das ist einzig die Entwicklung von Doris.

Das Stück ist Teil der Reihe "Freispiel", bei der Schauspieler des RLT spielen dürfen, was sie schon immer mal wollten, aber bisher nicht durften. Mit "Das kunstseidene Mädchen" hat Grebe aber nicht nur ihre eigenen Wünsche erfüllt, sondern auch die des Publikums. Am Ende gibt es sehr viel Applaus. Grebes Mutter sitzt im Publikum und bringt Blumen. Die Zuschauer fordern eine Zugabe. Also schnappt sich Grebe noch einmal das Mikrofon. Noch mal Musik, noch mal Seifenblasen. Noch mal "Material Girl". Ein glanzvoller Abend.

(NGZ)
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