Neuss Ein Blick hinter die Türen des "Alex"
Neuss · 310 Flüchtlinge sind zurzeit im ehemaligen Alexius-Krankenhaus untergebracht. Bei einer Spendenaktion gab es nun seltene Einblicke.
Von einem Moment auf den anderen verfinstert sich die Mine von Jahiroviz Xhemshit. Es folgt ein Satz, der Gänsehaut erzeugt. "Lebend gehe ich nicht mehr zurück in den Kosovo", sagt der 23-Jährige, der seit zwei Wochen mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern im Alexianer-Flüchtlingsheim lebt. "Keine Arbeit, keine ärztliche Behandlung, keine Freiheit", beschreibt der lebensfrohe junge Mann die Situation in seinem Heimatland, in dem er bis zuletzt Getränkedosen sammelte. Bereits von 1991 bis 2006 lebte Jahiroviz mit seiner Familie in Deutschland - ehe sie abgeschoben wurden. Nun ist die Bundesrepublik erneut Zufluchtsort für ihn und seine Familie. "Im Vergleich zum Kosovo ist das hier das Paradies", sagt er. Auch wenn es manchmal zu Auseinandersetzungen käme: "Das passiert eben."
Es ist erstaunlich, wie positiv Jahiroviz mit seiner Situation umgeht. Mit funkelnden Augen erzählt er, dass er Sänger ist. "Musik bringt Menschen zusammen, Musik ist Liebe", schwärmt der junge Familienvater, während sein Blick den langen Flur im Erdgeschoss des "Alex" entlang schweift. An den Wänden hängen Verbotsschilder neben farbenfrohen, selbst gemalten Bildern. Die Schilder machen deutlich, dass das Rauchen im Gebäude sowie der Konsum von alkoholischen Getränken untersagt ist - ebenso wie das Urinieren in den Flur.
Aus einem Raum, der sogenannten Kinderstube, dringen Gitarren-, Bass- und Trommel-Klänge. Im Inneren des adventlich geschmückten Raumes wird geklatscht, gelacht und getanzt. Zahlreiche Handykameras werden gezückt, um das festzuhalten, was nicht alltäglich ist hinter den Wänden des "Alex" - ein Konzert. Die drei Musiker der Band "Ritmoscope" geben alles, spielen knapp 20 Minuten Instrumental-Stücke mit exotischen Elementen. Einer von ihnen ist Lukas Kaminski. Ende November sammelte er mit der Unterstützung von neun Bands beim "Ska-Minski-Festival" im Haus der Jugend Spendengelder für die Flüchtlinge im "Alex". Er organisierte die zwei Abende. Von dem Erlös - 1420 Euro - wurden nun Instrumente gekauft, die im Rahmen des Konzertes an das Asylbewerberheim übergeben wurden. "Sieben Trommeln, zwei Gitarren ein Keyboard, ein Tambourin und eine Kalimba", zählt Lukas Kaminski auf. Pläne, wann und wie die neuen Instrumente zum Einsatz kommen sollen, wurden bereits geschmiedet: Musikpädagoge Simon Tressin wird ab Anfang 2015 ein Ensemble im "Alex" leiten. "Musik hilft, Sprachbarrieren zu überwinden und Konflikten vorzubeugen", sagt der 28-Jährige.
Zu Konflikten kam es in der Vergangenheit häufiger im "Alex". Mehr als 80 Einsätze fuhr die Polizei bereits an der Asylbewerberunterkunft in diesem Jahr. Zuletzt sorgten der Hilferuf einer Ansprechpartnerin der Bezirksregierung sowie ein Vorfall mit 15 Nordafrikaner, die einen Arzt drangsalierten, um an Medikamente zu kommen, für Aufmerksamkeit. "Es ist aber zu keinen neuen Vorfällen gekommen", versichert Einrichtungsleiterin Snezana Doroski, bevor sie glückbringend auf die Fensterbank des Flurs klopft.