Neuss Ein kluges Stück für Klassenzimmer und andere Spielorte

Neuss · Julia-Huda Nahas hat ihre eigenes Stück "Täwle - Am Kopf des Tisches" für das RLT inszeniert und in einer Schule uraufgeführt.

 Pablo Guaneme Pinilla spielt den Deutsch-Syrer Nikola.

Pablo Guaneme Pinilla spielt den Deutsch-Syrer Nikola.

Foto: B. Hickmann

Es geht um ein klassisches Dilemma. Eine Zwickmühle, eine Situation, die zwei Möglichkeiten der Entscheidung bietet, beide aber mit unerwünschtem Ergebnis. "Täwle - am Kopf des Tisches" (sprich: Taule) heißt das Monodrama, das am Kaarster Albert-Einstein-Gymnasium seine Premiere feierte.

Im Mittelpunkt steht der der junge Syrer Nikola. Er ist kein Kriegsflüchtling. In Deutschland aufgewachsen, hat er nach dem Studium seine berufliche Karriere vor Augen. Just in diesen Tagen melden sich seine arabischen Verwandten. Seit Jahren herrscht in Syrien Krieg, und eine der Folgen ist die Möglichkeit, dass Nikola sogenannte Kontingenzflüchtlinge nach Deutschland kommen lassen darf. Maximal fünf seiner zahlreichen Verwandten kann er aus Syrien holen. Doch wonach soll Nikola entscheiden? Jugend oder Alter, Krankheit oder Ausbildung sind mögliche Kriterien.

In der Inszenierung von Julia-Huda Nahas, die auch Autorin des Stücks ist, lässt der Schauspieler Pablo Guaneme Pinilla die Steine des Backgammon-Spiels entscheiden, eines der ältesten Brettspiele der Wel,. Einerseits ein kluger Schachzug, denn es gibt wohl kaum eine orientalischere Szene als im Café versammelte, würfelnde und Steine schiebende Männer.

Andererseits ist das keine Lösung seines Dilemmas, denn die Mischung aus Strategie und Glück produziert noch mehr Unzufriedenheit. In seinem Monolog erinnert sich Nikola an Besuche in jener Welt, die für den abendländisch Denkenden exotisch und fremd bleiben wird.

Wo man die Polizei oder Mitarbeiter der Behörden mit einem Bakschisch für Gefälligkeiten gewinnt, stößt nordische Unbeugsamkeit auf wenig Verständnis. Die Zahl fünf könne er doch locker auf 25 erhöhen, so lautet der Vorwurf an den deutsch-syrischen Verwandten. Nikola verzweifelt schier an seiner doppelten Identität. Das Ende ist offen, so dass die Zuschauer das Dilemma mit nach Hause nehmen müssen.

"Täwle" ist ein kluges Stück, das sehr in unsere Zeit passt. Die Autorin und Regisseurin hat selbst wie die Figur des Nikola syrische Wurzeln. Auch der sympathische Darsteller Pinilla stammt aus zwei Kulturen.

Konzentriert verfolgten die Schüler mehrerer Deutsch-Leistungskurse das Geschehen in der Bibliothek der Schule. Einige von ihnen hatten sich zusammen mit der Theaterpädagogin des RLT in die Materie eingearbeitet. Gefragt wurde aber dann vor allem, wie Pablo Guaneme Pinilla es schaffte, den einstündigen Monolog ohne Patzer zu präsentieren.

(NGZ)
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