Neuss Ein Märchen wird wahr

Neuss · Die Shakespeare Company Berlin zeigt beim Festival im Globe die romantische Komödie "Wintermärchen".

 König Leontes (l.) hat das Orakel von Delphi zur vermeintlichen Untreue seiner Frau Hermione (2.v.r) befragt. Nun steht sie vor Gericht.

König Leontes (l.) hat das Orakel von Delphi zur vermeintlichen Untreue seiner Frau Hermione (2.v.r) befragt. Nun steht sie vor Gericht.

Foto: Christoph Krey

Vier Namen stehen auf der Besetzungsliste für Shakespeares "Wintermärchen" in der Adaption der Shakespeare Company Berlin - eine glatte Untertreibung. Eigentlich gehören die des Lichtdesigners und der Ausstatterin auch dazu, denn beide liefern die heimlichen Mitspieler in dieser Inszenierung, dir vor allem mit ihren Bildern überzeugt.

Die Geschichte selbst ist wahrlich märchenhaft. Der eifersüchtige König Leontes von Sizilien glaubt, dass seine Frau Hermione ihn mit seinem besten Freund, König Polixenes von Böhmen, betrügt. Er verstößt sie, sein Sohn stirbt darüber, die in Gefangenschaft geborene Tochter lässt er an Böhmens Küste aussetzen. Polixenes kann gerade noch in seine Heimat fliehen. Aber er erfährt nichts von dem Mädchen, in das sich 16 Jahre später sein Sohn Florisel verliebt. Für Polixenes ist Perdita die Tochter eines Schäfers, er verbietet die Hochzeit, Florisel und Perdita flüchten nach Sizilien zum mittlerweile bereuenden und gramgebeugten Leontes. Dort löst sich alles in Wohlgefallen auf, auch die von Leontes totgeglaubte Hermione ist nicht wirklich gestorben - und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Das schlichte Bühnenbild und die Kostüme von Ausstatterin Gabriele Kortmann, dazu das hervorragende Lichtdesign von Raimund Klaes machen all die Orts-, Perspektiv- und Personenwechsel mühelos mit. Denn die 18 benamten Figuren des Stücks hat Regisseur Christian Leonard auf zwölf reduziert und sie geschickt auf seine vier Darsteller verteilt. Viel Stoff für jeden einzelnen, der auch dadurch nicht geringer wird, dass Leonard Puppen einsetzt. Denn auch diese werden von den menschlichen Schauspielern geführt und gesprochen. Und mit ihnen umgeht der Regisseur jenen Spiel-Fallen, in denen ein Darsteller in zwei Rollen anwesend ist.

Zudem überträgt Kortmann die Künstlichkeit der Puppen äußerlich auf die menschlichen Darsteller, indem sie ihnen Perücken aufsetzet, die an Playmobil-Männchen oder (bei den Frauen) gar an alte Schildkröt-Puppenköpfe erinnern. So sind auch die Handpuppen mehr als nur Lückenfüller: Sie werden zu echten Mitspielern, mit denen ihre menschlichen Pendants jedoch unterschiedlich umgehen.

Einer, der mit ihnen verwächst und zugleich seine jeweilige Figur trägt, ist Thilo Hermann, der Polixenes, den König von Böhmen, seinen Sohn Florisel und seinen Diener Antigonus spielt. Jedem gibt er unverwechselbare Charakteristika, kann sich von einer Minute zur anderen verwandeln. Wofür vor allem die Szene steht, in der er von links nach rechts und umgekehrt rennt, um mal Polixenes, mal Florisel zu sein.

Auch Johanna-Julia Spitzer gelingt der Spagat zwischen ihren Figuren Paulina, Camillo und den tumben Schäfersohn Hansdampf. Nico Selbach überzeugt vor allem in der komischen Variante als Schäfer, der Perdita aufzieht wie seine Tochter, und als Spitzbube Autolycus. Sein Leontes wirkt dagegen blutleer. Katharina Kwaschik bleibt sowohl als Hermione wie als Perdita blass und gibt weder der einen noch der anderen eigene Akzente. Ihr Archidamus ist nur eine Randfigur.

(hbm)
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