Neuss Ein Swing-Abend mit sehr viel Zeitkolorit

Neuss · Markus Andrae hat für das Theater am Schlachthof (TaS) eine neue Musikproduktion geschrieben und eingerichtet: "Swing mit dem Feuer" präsentiert wunderbare Gesangsnummern, aber leider eine etwas holprige Geschichte.

 In der Regie von Markus Andrae überzeugen (v. l.) Daniel Marré, Franka von Werden, Marlene Zilias und Anke Jansen auf der Schlachthof-Bühne. Ihr "Swing mit dem Feuer" ist vor allem musikalisch ein großer Genuss.

In der Regie von Markus Andrae überzeugen (v. l.) Daniel Marré, Franka von Werden, Marlene Zilias und Anke Jansen auf der Schlachthof-Bühne. Ihr "Swing mit dem Feuer" ist vor allem musikalisch ein großer Genuss.

Foto: Clara Habermann

Angst haben sie schon, aber die Liebe zur Musik ist größer. Genauer: zum Swing der 1930/40er Jahre. Der Zweite Weltkrieg hat begonnen, der Terror der Nationalsozialisten in Deutschland wird immer größer, aber Wolf-Dieter, Margarethe und Anneliese mögen von ihrer Leidenschaft nicht lassen und finden immer wieder einen Keller und eine Gesellschaft von Musikfreunden, die wie sie den Swing liebt. Auch wenn es lebensgefährlich ist, gilt diese durch und durch amerikanische Musik doch den Nazis als "entartet", sind immer wieder Spitzel im Publikum zu befürchten.

"Swing mit dem Feuer" hat Markus Andrae sehr passend die Produktion betitelt, die seinem Theater am Schlachthof nach dem "Duett auf dem Vulkan" (der 1920er Jahre) erneut ein Musiktheater beschert, das Zeitkolorit mit aktuellen Bezügen versieht. Herausgekommen ist dabei ein unterhaltsamer Abend, der allerdings wohl eher die ältere Generation anzieht - zumindest mit Blick auf das Premierenpublikum.

Natürlich liegt das an der Musik, die viele in Kindheit und Jugend (und wenn auch über die Eltern) begleitet hat. Dabei sind etliche dieser Songs von damals längst Evergreens, die bis in die heutigen Tage von Rock- und Popstars gern gecovert werden. Ob "Summertime" oder "Over the Rainbow", "Smoke gets in your Eyes" oder "Heaven" - sie alle wirken wie ewig jung, in diesem Fall auch dank der tollen stimmlichen Leistung der drei Sängerinnen Anke Jansen, Franka von Werden und Marlene Zilias. Sie zeigen gar, dass selbst ein altes Volkslied wie "Die Gedanken sind frei" wunderbar geswingt werden kann.

Zusammen mit ihrem musikalischen Leiter Edwin Schulz haben die drei Vokalistinnen sich zu einem richtig guten Swing-Trio zusammen getan und in dem Pianisten Daniel Marré einen kongenialen Begleiter gefunden. Markus Andrae hat dem Quartett zudem eine Geschichte auf den Leib geschrieben, die zwar an der einen oder anderen Stelle ein wenig holpert, aber gleichwohl mehr als nur ein Rahmen ist.

Mit Charlotte Schäfer (Zilias) stößt nämlich die etwas naive Tochter eines hohen Nazis zu den bis dato noch als Trio agierenden Swing-Liebhabern, die sich ganz amerikanisch Woody (Marré), Maggie (Jansen) und Lissy (van Werden) nennen. Das anfängliche Misstrauen schwindet, als Charlotte sie vor der Entdeckung rettet. Woody wird nämlich als Fahnenflüchtiger gesucht. Danach bleibt ihnen nur die Flucht, auch Charlotte, die jetzt Charly heißt, geht mit. Von da an geht es hopplahopp von Neuss nach Hamburg aufs Schiff nach Amerika - und das ist dann nur noch ein Rahmen für die schönen Gesangsnummern. Fast wünscht man sich, das Quartett wäre in seinem Keller und das Ende offen geblieben.

Die singenden Darsteller hätten das allemal tragen können, Andrae kann sich ganz auf deren Ausstrahlung und Fähigkeiten verlassen. Und er hätte sich selbst mehr Raum für den wunderbaren (Galgen-)Humor verschafft, der schon jetzt so manche Szene würzt. In solchen Momenten wird zudem die Tragik der Situation eindrucksvoll und beklemmend sichtbar: Wenn der Mensch, die Kunst mit und von der Macht niedergedrückt wird.

(NGZ)
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