Neuss Eine ewige Geschichte

Neuss · Die Familiensaga "Jenseits von Eden" hat Michael Lippold für das Landestheater spannend inszeniert.

 Der Moment der Wahrheit: Caleb (l.) führt seinem Bruder Aron die Mutter vor - die Hure Cathy.

Der Moment der Wahrheit: Caleb (l.) führt seinem Bruder Aron die Mutter vor - die Hure Cathy.

Foto: B. Hickmann

Ein bisschen James Dean muss dann doch sein. Schließlich hat er aus Caleb Trask in Elia Kazans Film "Jenseits von Eden", dem unglücklichen, um die Liebe des Vaters kämpfenden Sohn, eine Kultfigur gemacht. In der Theaterinszenierung von Michael Lippold am RLT wird Caleb von Richard Lingscheidt gespielt. Die Haare geschnitten wie James Dean, dazu passend Shirt und Jacke ein bisschen schlabberig, die Jeans ein Statement für das Anderssein - aber das ist es denn auch schon. Lingscheidt und Regisseur Lippold zitieren, ja, aber sie kopieren nicht, sondern schaffen etwas ganz Eigenständiges. Und das gilt für die ganze Neusser Bearbeitung, der die Fassung von Ulrike Syha zugrunde liegt.

Ihre Fassung von John Steinbecks Roman "Jenseits von Eden" erzählt die Geschichte der Familie Trask über drei Generationen, die mit Caleb und Aron Trask endet. In einer Mischung aus Dialog und Erzählung, Sprüngen zwischen Ort und Zeit, die erklären, warum ihr Vater Adam geworden ist, wie er ist, und warum Caleb seinem Bruder Aron in Hassliebe verbunden ist. Es ist die ewige Geschichte von Eifersucht, von dem Gefühl der Zurücksetzung und dem Durst nach Rache. Doch dahinter steckt nur die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung. Syha und auch Regisseur Lippold stellen dabei Cathy Trask, Adams Frau und die Mutter von Caleb und Aron, die ihre Familie unmittelbar nach der Geburt der Zwillinge verlässt, als Wurzel des Übels in den Mittelpunkt. Wer Mutter und Vater tötet, jeden Menschen ausnutzt und ins Verderben stürzt, als Hure und Puffmutter endet, kann doch nur böse sein, oder? Nein, die Cathy von Juliane Pempelfort ist auch eine Getriebene, wobei bei ihr wie auch bei allen anderen Rollen das Besondere ist, dass Regie und Schauspieler jede Gefühligkeit vermeiden.

Lakonischer Witz, unterkühltes Spiel bestimmen die Inszenierung, in der zudem die Live-Musik von Ingmar Kurenbach eine starke tragende Funktion hat. Ob "Tom Duly", "Star Spangled Banner" von Jimi Hendrix oder die Titelmelodie aus dem "Rosaroten Panther" - Kurenbach reißt manches nur an, gibt dann wieder musikalische Kommentare ab oder trägt gleich eine ganze Szene. Wie eine szenische Erzählung ist diese Fassung angelegt, die Musik ist nicht wegzudenken. Aber Lippold lässt auch Stille zu. Schweigen, kurze Momente des Innehaltens, in denen allein Körperspannung und Mimik der Schauspieler transportieren, was nicht in Worte zu fassen ist.

Das an den Wilden Westen erinnernde Bühnenbild mit entsprechenden, zum Figurcharakter passenden Kostüm (Amelie Hensel) und auch Reminiszenzen an Filme wie "River of no Return" mit Marilyn Monroe fügen sich mit dem Spiel des hervorragenden Ensembles zu einem wunderbar geschlossenen und spannend erzählten Theaterabend.

Mühelos springen die Schauspieler von Rolle zu Rolle. Eine Pappmaske macht etwa aus Sheriff Horace die Puffmutter Faye. Und Joachim Berger - um ihn als ein Beispiel zu nennen - setzt nur Haltung und Stimme ein, um die von Cathy geblendete, armselige Frau lebendig werden zu lassen. Alle sind permanent anwesend, aber keiner spielt sich nach vorne. Da lässt es sich auch verschmerzen, das ausgerechnet in der Premiere die starke, wenn auch etwas plakative Schlussszene (mit der Lippold von Syhas Fassung abweicht) kurz holpert, weil Anna Lisa Grebe ein Schild falsch hält.

Diese Familiengeschichte beginnt zwar mit dem Ersten, aber endet für Lippold nicht mit dem Zweiten Weltkrieg. "To be continued..." ist denn auch das letzte Schild beschriftet, das von Stefan Schleue als alter Adam Trask über die Bühne getragen wird. Der wahrlich passende Kommentar zu einer stummen Szene, in der die Schauspieler Schilder tragen, die auf die Kriege der Neuzeit verweisen: "Irak", "Afghanistan" und "Syrien" (leider auf dem Kopf). Zu David Bowies Ballade "This ist not America" - von Kurenbach gesungen und gespielt - formieren sich die Spieler zu einem großen (Schlacht-)Haufen. In ihrer Mitte die amerikanische Freiheitsstatue, deren (Papp-)Gesicht so traurig wie ramponiert ausschaut.

(hbm)
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