Neuss Ermittlungen gegen Frauenarzt wegen fahrlässiger Tötung

Neuss · Gegen den ehemaligen Neusser Frauenarzt, der gesunde Frauen wegen Brustkrebs behandelt haben soll, ermittelt die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nun auch wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung.

 Eine Mammografie ist zumeist der erste Schritt auf dem Weg zu einer gesicherten Brustkrebs-Diagnose.

Eine Mammografie ist zumeist der erste Schritt auf dem Weg zu einer gesicherten Brustkrebs-Diagnose.

Foto: dpa, Jan-Peter Kasper

Schon die bisherigen Vorwürfe gegen einen ehemaligen Frauenarzt sind schwer: Der 66-jährige Neusser soll gesunde Frauen wegen Brustkrebs behandelt haben — und zwar ganz bewusst, um teure Operationen und Behandlungen abrechnen zu können. Nun kommt ein noch schlimmerer Vorwurf hinzu: Der Mediziner soll eine Patientin so unfachmännisch an Brustkrebs operiert haben, dass sie vor wenigen Wochen an den Spätfolgen gestorben sei.

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bestätigt, entsprechende Ermittlungen aufgenommen zu haben. "Die Ärztin, die die Praxis übernommen und die Patientin bis zu ihrem Tod weiterbetreut hat, hat Strafanzeige gestellt", berichtet Staatsanwalt Christoph Kumpa. Details könne er noch nicht nennen. Der Fall sei zusammen mit anderen Patientenakten an einen Sachverständigen weitergeleitet worden.

Der soll nun innerhalb des nächsten halben Jahres ein Gutachten dazu erstellen. Um es zu beschleunigen, solle sich der Experte auf vier Fälle wegen fahrlässiger Körperverletzung und den jüngsten Vorwurf wegen fahrlässiger Tötung beschränken. "Bislang sind uns zehn oder elf Fälle wegen fahrlässiger Körperverletzung bekannt, außerdem ein Abtreibungsfall, in dem die gesetzliche Frist zwischen Beratung und erfolgtem Eingriff nicht eingehalten wurde, sowie weitere Fälle, in denen Abrechnungsbetrug zum Nachteil sowohl der Krankenkassen als auch der Patientinnen begangen worden sein soll", sagt Kumpa. Sollte der Neusser Frauenarzt verurteilt werden, drohen ihm eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

Angezeigt hat fast alle Fälle die Frauenärztin, die die Praxis des 66-Jährigen übernommen hat. "Nur eine Patientin hat selbst Strafanzeige gestellt", berichtet Kumpa. Die Viersenerin hatte jahrelang kein Kind bekommen können, weil der Neusser Frauenarzt vergessen haben soll, ihr die eingesetzte Spirale zu entfernen. Die Entfernung selbst hatte er jedoch abgerechnet. Dr. Peter Loosen war viele Jahre in Neuss als Gynäkologe tätig und kann sich kaum vorstellen, dass eine Spirale jahrelang unentdeckt in einem Körper bleiben kann. "Im Ultraschall lässt sie sich wunderbar nachweisen", erklärt der 73-jährige Frauenarzt, der seine Praxis vor fünf Jahren abgegeben hat.

Er kann über die Vorwürfe, die gegenüber dem 66-jährigen Neusser Gynäkologen geäußert werden, nur den Kopf schütteln. "Ich weiß nichts über die Fälle. Aber es wäre tatsächlich grob fahrlässig, wenn ein Arzt — so wie hier im Raum steht — in seiner Praxis Probe-Entnahmen machen würde."

Patientinnen, bei denen der Verdacht auf Brustkrebs festgestellt werde, sollten sich umgehend an ein entsprechendes Zentrum wenden, rät Loosen. "In Neuss ist ein solches Zentrum im Johanna-Etienne-Krankenhaus." Ohnehin werde heutzutage nicht mehr in jedem Fall sofort operiert. "Häufig bietet sich zunächst eine Feindiagnose mit anschließender Chemotherapie an, um den Tumor zu verkleinern und erst dann operativ zu entfernen", erklärt Peter Loosen.

(RP)
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