Neuss Ersatzvater für 30 junge Flüchtlinge

Neuss · Thomas Klein ist neu beim Sozialdienst katholischer Männer. Er kam ins Team, weil die vielen jugendlichen Flüchtlinge, die ohne Eltern in Deutschland gelandet sind, einen Vormund brauchen. Für die ist Klein schlicht "die Regierung"

 Sozialwissenschaftler Thomas Klein (2.v.l.) gehört zum Team des Sozialdienstes katholischer Männer (SKM), das sich um alleinreisende jugendliche Flüchtlinge - wie hier bei Behördengängen - kümmert.

Sozialwissenschaftler Thomas Klein (2.v.l.) gehört zum Team des Sozialdienstes katholischer Männer (SKM), das sich um alleinreisende jugendliche Flüchtlinge - wie hier bei Behördengängen - kümmert.

Foto: A. Woitschützke

Er ist für sie oft nur "die Regierung", für Thomas Klein aber sind sie schlicht "meine Jungs". Denn der 41-jährige Sozialwissenschaftler im Team des Sozialdienstes katholischer Männer (SKM) nimmt nicht so gerne das Wort Mündel in den Mund, wenn er von den jugendlichen Flüchtlingen spricht, die ohne Eltern in Neuss gestrandet sind. "Wir bemühen uns um ein Vertrauensverhältnis", sagt Klein, der Vormund von 30 jungen Flüchtlingen ist, für die er Elternrechte wahrnimmt. Damit ist eh geklärt, wer im Zweifel das Sagen hat.

Der SKM ist seit einigen Jahren Partner der Stadt beim Thema Vormundschaften. Gemeinsam mit dem SKF und der Diakonie hat er einen Trägerverband gebildet, um zunächst 60 dieser Fälle von der Stadt zu übernehmen. Inzwischen sind es 165, berichtet Franz Beering-Katthagen. Weil unter diesen derzeit eine große Zahl unbegleitet reisender jugendlicher Flüchtlinge ist, kam nur für sie Thomas Klein neu ins Team. Der fand die Aufgabe so spannend, dass er sich nach 13 Jahren in der Heimerziehung auf etwas Neues einlassen wollte.

Spannend ist die Aufgabe nicht nur durch die unterschiedlichen Charaktere, auf die er trifft. "Eigentlich kann ich mir nicht erlauben, einen Tag mal keine Nachrichten zu sehen", berichtete er am Dienstag auf der Mitgliederversammlung. Denn die Weltpolitik wirkt sich unmittelbar auf seine Arbeit aus. Um die gut zu machen, setzt er sich auch mit dem Islam und der Kultur der Herkunftsländer "seiner Jungs" auseinander, die vor allem aus Syrien und Afghanistan kommen, unter denen aber auch einzelne aus Indien, dem Iran und Irak oder Nordafrika stammen. Mit acht Sprachen ist er konfrontiert - "und ich spreche keine davon."

Untergebracht sind die noch unmündigen Flüchtlinge im ehemaligen Further Hof und einer Einrichtung in Grimlinghausen. Dort sind sie versorgt und betreut, so dass Klein sein Handy nach 20 Uhr ausmachen kann, ja sogar muss, wie sein Chef findet. Aber Klein ist eben gesamtverantwortlich - für die Erziehung, aber auch für Fragen wie: Werden die Weisheitszähne unter Vollnarkose entfernt und wer zahlt?

Unter "Kleins Jungs" sind recht unterschiedliche Typen. Mohamend (17) zum Beispiel wurde von seinen Eltern vorgeschickt, um sesshaft zu werden und die Familie nachzuholen. Er brachte außer Manieren auch ein Einser-Abitur mit und stellt sich gerade an der Uni Köln vor. Als Kind mit deutlich schlechteren Chancen stellte Klein den Mitgliedern Sharam vor, einen 15-jährigen Afghanen, der sich im Iran als Straßenmusiker durchzuschlagen versucht hatte, inhaftiert wurde und sich - dem Gefängnis entronnen - nach Deutschland aufmachte. Was all diese "Flüchtlinge eint ist, dass sie oft mit falschen Vorstellungen auf die Reise geschickt wurden, aber Deutschland vor allem dankbar sind. "Meine Jungs gehen alle zur Schule", sagt Klein, der feststellt: "Die Sprachbarriere ist relativ schnell überwunden, bei kulturellen scheint das schwieriger."

(-nau)
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