Jörg Geerlings "Es geht nicht um mein Schicksal"

Neuss · Der Neusser CDU-Chef spricht wenige Tage vor der Vorstandswahl bei der Generalversammlung über die Situation der Partei.

 Der CDU-Stadtverbandvorsitzende Jörg Geerlings (rechts) stellte sich auf dem Blauen NGZ-Sofa den Fragen von Redaktionsleiter Ludger Baten. Der Talk wurde unterstützt von der Privatbrauerei Frankenheim.

Der CDU-Stadtverbandvorsitzende Jörg Geerlings (rechts) stellte sich auf dem Blauen NGZ-Sofa den Fragen von Redaktionsleiter Ludger Baten. Der Talk wurde unterstützt von der Privatbrauerei Frankenheim.

Foto: Andreas Woitschütze

Die CDU hat am 13. September bei der Bürgermeisterwahl 36,3 Prozent bekommen. 0,6 Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl 2012. Eigentlich ist doch nichts passiert?

Jörg Geerlings Wir sind schwer enttäuscht, dass Thomas Nickel die Wahl verloren hat. Wenige sind von diesem Ergebnis im ersten Wahlgang ausgegangen, selbst Reiner Breuer nicht. Der Schock hält bei uns noch an. Aber die Ratsmehrheit hat gehalten, sie ist aktiv und handlungsfähig.

Was ist schiefgegangen?

Geerlings Thomas Nickel hat einen sehr engagierten Wahlkampf geführt. Es hat verschiedene Gründe gegeben. Das Alter wird genannt, und es gab eine Wechselstimmung. Thomas Nickel ist seit mehr als 17 Jahren stellvertretender Bürgermeister. Da wurde ihm die Vergangenheit angekreidet, obwohl er viele gute neue Ideen hatte.

War es der falsche Kandidat? Ist Politik zu weit weg von den Menschen?

Geerlings Dann müsste man zwei Drittel aller Mitglieder schelten, die ihn 2014 aufgestellt haben. Nach der Mitgliederversammlung waren alle zuversichtlich, dass er gewinnt. Jetzt wird viel geredet: Diese oder jene Person hätte kandidieren müssen. Aber das sind Fragen der Geschichte.

Neuss hat sich doch gut entwickelt. Hat das der Bürger nicht honoriert?

Geerlings Vieles hat sich gut entwickelt in der Wirtschaft, im sozialen Bereich. Wir haben Rekord-Einnahmen bei der Gewerbesteuer und städtebaulich ist zum Beispiel mit dem Pierburg-Werk etwas Einzigartiges entstanden. Aber jetzt zu sagen, der Bürger hat's nicht verstanden, ist falsch. Es war ein Wahlkampf, bei dem Inhalte zu kurz kamen.

Keiner hätte Reiner Breuer geschlagen?

Geerlings Keiner ist unschlagbar.

Warum haben Sie nicht kandidiert?

Geerlings Ich habe die Entscheidung frühzeitig im Sommer 2014 verkündet. Es war eine persönliche Entscheidung, ich wollte das Landtags-Mandat 2017 zurückerobern.

Welche Verantwortung tragen Sie an der Wahlniederlage?

Geerlings Natürlich trage ich Verantwortung. Wir haben alles dafür gegeben, dass Thomas Nickel gewinnt. Ich bin an erster Stelle enttäuscht und verstehe alle, die es auch sind.

Am Mittwoch wählt die Partei einen neuen Vorstand. Warum stellen Sie sich?

Geerlings Es gibt gute Gründe, die Partei mit Blick auf die Zukunft voranzubringen. Wir brauchen ein klares Programm für die Kommunalwahl 2020. Wenn andere der Auffassung sind, dass ich nicht der Richtige bin, dann sollen sie kandidieren und sich als Alternative anbieten.

Aber es gab den Beschluss, im ersten Quartal 2016 neu zu wählen, nicht schon jetzt.

Geerlings Das ist falsch. Der Beschluss lautet, dass bis zum März gewählt werden muss. Heinz Günther Hüsch hat das noch einmal klargestellt. Viele Mitglieder haben uns angesprochen: Warum wollt ihr noch zwei Mitgliederversammlungen warten damit? Wir brauchen klare Verhältnisse, damit gearbeitet werden kann. Wir haben im Parteivorstand intensiv diskutiert, ob der Termin richtig ist. Und wir haben es mit großer Mehrheit beschlossen.

Es gibt Anträge, die Wahl zu verschieben. Sie scheinen optimistisch zu sein, dass die nicht durchkommen.

Geerlings Wenn gefordert wird, die Wahl zu verschieben und die Partei im luftleeren Raum zu lassen, dann geht es nur darum, Personen in der CDU zu schaden. Die Mitglieder hören sich diese Anträge an, gewichten Argumente und entscheiden - Punkt.

Falls es keinen Mitbewerber um das Amt des Vorsitzenden gibt: Ist das dann eine Vertrauensfrage für Sie?

Geerlings Das sehe ich nicht so. Ich stelle mich der Verantwortung, dem Votum und dem Ergebnis. Es geht nicht um meine Prozente, sondern darum, einen handlungsfähigen Vorstand zu haben. Es geht nicht um mein Schicksal, sondern darum, dass die CDU wieder nach vorne kommt.

Wie weit sind Sie mit der inhaltlichen Positionierung der CDU?

Geerlings Wir haben einen ersten Entwurf des Papiers CDU 2020 entwickelt, das Leitsätze und einen Arbeitsplan nennt. Wenn wir das alles umsetzen, haben Partei und Fraktion ein Riesenprogramm vor sich. Allein jeder Stadtverordnete muss eine ganze Menge machen. Wir haben eine ganze Menge neuer Elemente. Es wird nach dem Bundesparteitag einen gewählten Mitgliederbeauftragten geben. Wir wollen die Partei offener gestalten, und dazu gibt es eine ganze Reihe Instrumente.

Wird das am Mittwoch besprochen?

Geerlings Wir wollen diese Inhalte nicht befrachten mit den Vorstandswahlen. Das Programm ist im Entwurf bereits allen Mitgliedern zugesandt. Wir werden weitere Mitgliederversammlungen durchführen. Wenn wir gewählt haben, muss vor allem die Arbeit getan werden. Wir erwägen, dazu einen ganzen Stadtparteitag durchzuführen.

In welchen Bereichen stellen Sie sich inhaltliche Diskussionen in der Partei vor?

Geerlings Da ist man gut beraten, die Mitglieder zu befragen. Sicherheit, Sauberkeit, Schule, Kinderbetreuung, Flüchtlinge sind unter anderem Themen im Moment. Zum Beispiel beim Standort der Flüchtlingsheime: Ich nehme beispielhaft den Corneliusweg in Selikum. Da hat die Verwaltung versprochen, Alternativvorschläge, die auch von Bürgern gemacht worden sind, zu prüfen. Passiert ist wenig. Das schadet dem Ansehen der Verwaltung.

Werden die Inhalte der CDU nicht von der Fraktion bestimmt statt von der Partei?

Geerlings Die Grundsatzfragen sind bei der Partei gut aufgehoben, aber eine Fraktion hat ganz andere Notwendigkeiten. Eine Fraktion kann nicht erst einen Stadtparteitag einberufen, wenn vor Ort über ein aktuelles Problem entschieden werden muss. Aber die Fraktion hat Leitlinien, die von der Partei erarbeitet worden sind.

Sebastian Rosen hat sich als Bewerber für die Bürgermeisterwahl 2020 ins Gespräch gebracht. Sie wollen 2017 für den Landtag kandidieren, Sebastian Ley auch. Redet die CDU nicht wirklich nur über Posten?

Geerlings Ich hoffe, dass das nicht der Fall ist. Ich möchte über Inhalte reden. Wir haben eine wichtige Mitgliederversammlung vor uns. Da darf auch gestritten werden, aber alles hat seine Grenzen. Es gibt einige wenige Mitglieder, die ihre Erklärungen gerne erstmal der Presse offenbaren. Da wünsche ich mir wie viele andere auch, dass sie auch mal in den entsprechenden Gremien von Partei und Fraktion mitreden und mitarbeiten.

ANDREAS GRUHN FASSTE DEN TALK ZUSAMMEN.

(NGZ)
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