Neuss Es wird gehört, was auf den Teller kommt

Neuss · Thomas Reichl besitzt eine der größten Plattensammlungen in Neuss - dem Vinyl blieb er immer treu.

Neuss: Es wird gehört, was auf den Teller kommt
Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Als er 1979 zum ersten Mal "The Police" im Radio hörte, hat es gefunkt. "Da habe ich mich verliebt", erinnert sich Thomas Reichl schmunzelnd. Von jener Band um den Sänger Sting kaufte sich der heute 49-Jährige auch seine allererste Schallplatte. Die erste Stereoanlage gab's als Weihnachtsgeschenk. "Meine Kohlefaserbürste von damals habe ich immer noch - und sie funktioniert", sagt Reichl.

Bei einer Schallplatte ist es nicht geblieben. Mittlerweile besitzt der gebürtige Neusser rund 10.000 Vinyl-Tonträger sämtlicher Genres. Egal ob Punkrock, Jazz, Soul oder Rock 'n Roll. Die staubigen Rillen aus den 60er Jahren haben es ihm besonders angetan. Regelmäßig klappert Reichl die Plattenläden der Region ab, um seine stolze Sammlung, die sich in seinem Wohnzimmer über mehrere Regale erstreckt, zu erweitern.

Nur ausgerechnet am vergangenen Samstag - am "Record Store Day" - war das nicht möglich. "Es kommt mir so vor, als wäre dieser Tag immer an meinem Dienstwochenende", sagt Reichl. Doch der 49-Jährige, der regelmäßig unter dem Namen Dr. B. Bob im Hamtorkrug als DJ auflegt, kann es verschmerzen. Er braucht sowieso keinen festen Tag im Jahr, um die Schallplatte zu feiern: "Auch wenn es cool ist, dass an diesem Tag viele Live-Auftritte stattfinden."

Es ist weder Retro-Hype noch fanatischer Sammelwahn, der ihn bei seiner Leidenschaft antreibt. Reichl, den viele nur unter dem Spitznamen "Bär" kennen, geht es einfach um die Musik, um die Schallplatte an sich, um das große Cover, um den einzigartigen Sound - um den Prozess des Auflegens. Denn was ist schon eine kleine Scheibe oder gar eine MP3-Datei im Vergleich zu einem Cover aus dicker Pappe, an dem teilweise noch der Staub vergangener Jahre oder gar Jahrzehnte zu riechen ist? Dennoch gab es eine Zeit, in der der Glanz des "schwarzen Goldes" zu verblassen drohte.

In den 90ern, als Musik hauptsächlich auf Silberlingen statt großen schwarzen Platten verewigt wurde, stellten viele Presswerke ihre Produktion ein. Doch seit knapp zehn Jahren erfreut sich das auf den ersten Blick so altmodisch erscheinende Medium immer größerer Beliebtheit. Ein wenig gerät Reichl ins Schwärmen, wenn er an die 80er Jahre zurückdenkt, als es noch vier Plattenläden in der Stadt gab. Heute existiert davon zwar keiner mehr, dennoch bleibt die Schallplatte der Überlebenskünstler unter den Tonträgern.

(NGZ)
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