Neuss Ex-Lehrer kämpft für Volksbegehren "G9 jetzt"

Neuss · Vor 39 Jahren war Hans Jürgen Kolvenbach beim Volksbegehren zur Koop-Schule hin- und hergerissen. Beim "Turbo-Abi" legt er sich fest.

 Der ehemalige Gymnasiallehrer Hans Jürgen Kolvenbach unterstützt die Initiative "G 9 jetzt!" mit einer zugelassenen Unterschriftensammlung.

Der ehemalige Gymnasiallehrer Hans Jürgen Kolvenbach unterstützt die Initiative "G 9 jetzt!" mit einer zugelassenen Unterschriftensammlung.

Foto: woi

Zum ersten Mal seit 39 Jahren startet in der kommenden Woche wieder ein Volksbegehren. Damals ging es um die Einführung der so genannten "Koop-Schule", nun ist die Frage zu entscheiden, ob die Schüler an den Gymnasien in Nordrhein-Westfalen ihr Abitur wieder nach 13 Jahren machen und "G 8" abgeschafft wird. Gut 110.000 Neusser sind stimmberechtigt, doch Hans Jürgen Kolvenbach hat sich schon positioniert. Die Koop-Schule hatte er befürwortet, konnte aber auch die Gegenseite verstehen. Das Turbo-Abitur nach acht Jahren (G 8) auf dem Gymnasium aber lehnt er ab. "Grundsätzlich", wie der pensionierte Pädagoge betont.

Im Dezember hatte die Landesregierung dem Antrag der Elterninitiative "G 9 jetzt!" auf ein Volksbegehren stattgeben müssen. Die hatte ihre Forderung mit 66.000 Unterstützerunterschriften untermauert und damit das gesetzlich vorgeschriebene Quorum erreicht. Um zu erzwingen, dass "G 9" noch einmal auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt wird, muss das Volksbegehren 1,06 Millionen Wähler mobilisieren. Das entspricht einer Quote von acht Prozent. Auf Neuss umgerechnet: Von rund 110.000 Wählern müssten sich 8800 bis zum 7. Juni in eine sogenannte Eintragungsliste einschreiben. 15 Unterstützter hat Kolvenbach schon zusammen. Aber er fängt ja erst an.

Beim ersten Volksbegehren vor 39 Jahren stand der heute 74-Jährige sozusagen im Zentrum der "Schlacht". Der Deutschlehrer an einem Gymnasium und langjährige Fachleiter Deutsch in der Referendarsausbildung gehörte seinerzeit im Kultusministerium zu der Gruppe, die die Koop-Schule vorbereitete. Die sah vor, alle Kinder sechs Jahre lang gemeinsam zu unterrichten und erst ab Klasse sieben zu differenzieren. "Im Grunde eine Organisationsidee, die pädagogisch verkauft wurde", sagt Kolvenbach in der Rückschau. Damals saß er "auf allen Podien, um als einsamer Befürworter die Koop-Schule zu verteidigen", sagt Kolvenbach, konnte aber auch die Gegenseite verstehen. "Die Gegner haben einen tollen Kampf geführt", gibt er zu - und den Kampf auch gewonnen.

Die Koop-Schule hätte er für machbar gehalten, für "G 8" aber fehlt ihm, wie er sagt, "jedes Verständnis". Dabei argumentiert Kolvenbach in zwei Richtungen.

"Die Kinder sollen wieder Freizeit und Zeit für Hobbies haben. Dass sie früher mit der Schule fertig sein müssen, ist nicht einzusehen. Denn: Was folgt danach?", spricht er einen allgemeinen Aspekt an und fügt fachliche Aspekte hinzu: "Als Fachlehrer für Deutsch waren mir schon vor "G 8" drei Stunden Grundkurs Deutsch die Woche in der Oberstufe zu wenig", sagt er. Heute sei es so, dass "die Lehrer den Stoff in die Klasse pushen, ohne ihn noch fachlich entfalten zu können," klagt Kolvenbach, für den auch Reife ein Argument ist. Bestimmte Themen - etwa Expressionismus - könne man sinnvollerweise und mit Gewinn für die Schüler erst angehen, wenn die ein gewisses Alter erreicht haben.

Aus diesem Grund hat Kolvenbach sich entschlossen, die Initiative durch eine zugelassene freie Unterschriftensammlung zu unterstützen. Die offiziellen Listen liegen vom 2. Februar an im Bürger- und im Sozialamt der Stadt aus.

(-nau)
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