Interview: Roland Kehl "FDP ist kein Partner für stabiles Bündnis"

Neuss · Roland Kehl ist einer der Architekten der ersten schwarz-grünen Koalition im Rat. Auf dem blauen NGZ-Sofa diskutierte der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen mit Redaktionsleiter Ludger Baten über eine einmalige Situation und neue Chancen.

 Hätte sich mehr Fairness und Weitblick des Bürgermeisters gewünscht: Roland Kehl kritisierte auf dem blauen NGZ-Sofa den Zeitpunkt, zu dem der Verwaltungschef das Grünflächenamt auflöste.

Hätte sich mehr Fairness und Weitblick des Bürgermeisters gewünscht: Roland Kehl kritisierte auf dem blauen NGZ-Sofa den Zeitpunkt, zu dem der Verwaltungschef das Grünflächenamt auflöste.

Foto: A. Woitschützke

Herr Kehl, das Umweltamt zieht in die alten Räume der Stadtgärtnerei, und wird mit einem Teil des Grünflächenamtes verschmolzen, dessen Abteilung Planung zum Amt für Stadtplanung kommt. Ist das mit dem Rat abgestimmt?

Roland Kehl Nein, das ist eine Entscheidung allein des Bürgermeisters. Wir hätten uns gewünscht, der Bürgermeister wäre so fair und weitsichtig gewesen, diese Entscheidung auf den Herbst zu vertagen, denn wir wollen eine neue Beigeordnetenstelle für Umwelt, Klima- und Artenschutz haben - und das hat er gewusst, spätestens als der Koalitionsvertrag stand. Jetzt müssen wir schauen, wie weit diese Konstellation die Kompetenzen dieses Beigeordneten einschränkt. Auf jeden Fall werden wir aber Mittel und Wege finden, dass diese Position in unserem Sinne gestärkt wird.

Sie sind seit 1986 bei den Grünen. Hat sich die Partei in diesen knapp 30 Jahren gewandelt?

Kehl Oh, ja. Es hat auch bei uns in Neuss heiße Zeiten gegeben und Flügelkämpfe zwischen Linken und Gemäßigten. Es ging da echt zur Sache. Wir haben aber mittlerweile gelernt, Konflikte auf normale Weise zu lösen und Kompromisse zu suchen.

Als die Grünen antraten, gab es bei der Ämterbesetzung das Rotationsprinzip. Inzwischen stellt Ihre Partei den dienstältesten Fraktionsvorsitzenden im Rat. Wie das?

Kehl Es hat sich einfach gezeigt: Wenn man qualitätvolle Arbeit leisten will, braucht man eine gewisse Kontinuität auch beim Personal. Außerdem ist unser Reservoir an guten Leuten nicht unerschöpflich. Aber ich bin ja ein gutes Beispiel dafür, dass es das Prinzip noch gibt: Nach zehn Jahren im Rat habe ich selber gesagt, dass ich mich zurückziehe. Und im November gebe ich auch den Parteivorsitz ab.

Bei den Kommunalwahlen haben sich die Grünen knapp behauptet...

Kehl Wir haben das Ergebnis stabilisiert, aber wir hatten uns mehr versprochen. Ich persönlich war davon ausgegangen, dass wir 15 Prozent der Stimmen bekommen. Dann wäre ich auch wieder im Rat.

...aber die Grünen sind nicht Teil einer - rechnerisch möglichen - Mehrheit gegen die CDU geworden, sondern haben stattdessen mit der CDU eine Koalition gebildet. Warum?

Kehl Wir haben die Lage analysiert, mit allen Parteien gesprochen und sind zu der Überzeugung gekommen, dass diese Mehrheit jenseits der CDU nicht tragfähig gewesen wäre. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass es gerade mit der FDP ein stabiles Bündnis geben könnte. Der Politikwechsel, so wie wir ihn angestrebt haben, wäre mit dieser FDP nicht zustande gekommen. Andererseits haben wir so verhindert, dass es eine von der Alternative für Deutschland stabilisierte Koalition von CDU und FDP gibt, also die Fortsetzung der alten Geschichte. Auch das hatten wir im Kopf.

Sind die Grünen Steigbügelhalter eines "Weiter so" der CDU?

Kehl Sicher, man könnte das so sagen, aber wir stellen uns das anders vor. Wir haben einen Koalitionsvertrag gemacht, der viele Elemente unseres - wie wir meinen - sehr konkret gefassten Wahlprogramms wiedergibt. Wenn es uns gelingt, große Teile davon umzusetzen, dann haben wir die Stadt verändert. Dann hat sich mehr bewegt, als in den letzten zehn Jahren. Der Bürger wird dann darüber zu entscheiden haben, ob der Versuch gelungen ist. Aber ich bin da ganz gelassen.

Sie gelten als einer der Architekten des Koalitionsvertrages. Wie waren die Verhandlungen?

Kehl Spannend, denn wir waren erstmals in dieser Situation.

Ihr Koalitionspartner CDU unterhält mit der FDP noch immer eine Kandidatenfindungskommission für die Bürgermeisterwahl.

Kehl Ich kann mir kaum vorstellen, dass die noch existiert. Wenn sie tatsächlich einen Kandidaten hervorbringt, würde das den Frieden in der Koalition stören.

ZUSAMMENFASSUNG: CH. KLEINAU

(NGZ)
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