Neuss Fesselnder Roman über Jonah Jacobsons letzte Reise

Neuss · Literarischer Sommer geht mit Arjan Visser weiter.

 Arjan Visser liest morgen in der Stadtbibliothek aus seinem Roman "Der blaue Vogel kehrt zurück".

Arjan Visser liest morgen in der Stadtbibliothek aus seinem Roman "Der blaue Vogel kehrt zurück".

Foto: M. Kohn

Die Betitelung eines Buches, das ins Deutsche übersetzt werden muss, stellt manchmal vor Rätsel. "Hotel Linda" heißt der Roman von Arjan Visser im Niederländischen; in Deutschland ist er als "Der blaue Vogel kehrt zurück" erschienen. Blauer Vogel wohl nur deshalb, weil die Hauptfigur eben so von seiner Frau Nana und seinen Freunden in der neuen Heimat Brasilien genannt wurde: Azulão, blauer Vogel.

Dabei geht es vor allem um Jonah Jacobson, der 1942 aus dem von den Nazis besetzten Amsterdam nach Brasilien geflohen ist. Und als dieser kehrt er fast 90-jährig nach Amsterdam zurück, um eine Schuld zu begleichen, die ihn ein Leben lang verfolgt hat. Bei seiner Flucht hatte er seine erste große Liebe Linda zurückgelassen, sie wurde angeschossen. Was danach mit ihr passierte, weiß er nicht. Er weiß nur, dass sie mit dem Geld, das er ihr aus Brasilien hatte zukommen lassen, ein Hotel gekauft hat: das Hotel Linda. Dort steigt er jetzt ab, aber natürlich ist seine Linda schon lange nicht mehr die Besitzerin, und er landet im Krankenhaus.

Meisterhaft versteht es Visser, der in Amsterdam lebt und mit "Hotel Linda" seinen vierten Roman vorlegt, zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu pendeln. Beim Literarischen Sommer wird er seinen Roman morgen in der Stadtbibliothek vorstellen, aber nicht selbst aus ihm lesen. Denn sein Deutsch, so gibt er zu, reicht dafür nicht aus. Der Schauspieler und Regisseur Stefan Filipiak wird die Vorleser-Rolle für ihn übernehmen.

Doch ob der Titel nun passt oder nicht - Vissers Geschichte über den "blauen Vogel" ist eine, die nachhängt. Der 54-jährige Schriftsteller knüpft ein starkes Band zwischen der Erinnerung und dem Heute. Jacobsons Suche wird getrieben von dem Gefühl, etwas wiedergutmachen zu müssen, bevor der Tod kommt, aber ist zugleich auch ein Anlass, das eigene Leben vor dem inneren Auge abzugehen. Dabei ist das Buch kein Lamento eines alten Mannes, sondern eine poetische, mit viel trockenem Humor geschriebene Lebensgeschichte.

Info Neumarkt 10, morgen, 19.30 Uhr, Eintritt acht Euro

(hbm)
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