Fragen an die sechs Kandidaten im Wahlkreis 108 (Neuss I)

Neuss · Wie muss die Flüchtlingspolitik in Zukunft gestaltet werden, um eine Überforderung der Kommunen zu verhindern?

Bundestagswahl 2017: Kandidaten für den Wahlkreis 108 Rhein Kreis Neuss
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Das sind die Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Neuss I

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Foto: dpa, fis vge fux

Wie muss die Flüchtlingspolitik in Zukunft gestaltet werden, um eine Überforderung der Kommunen zu verhindern?

Hermann Gröhe (CDU):

Der Bund leistet bereits einen milliardenschweren Kraftakt zur Unterstützung der Kommunen — auch mit Blick auf Flüchtlinge. Wichtig ist, dass die Zahl der Flüchtlinge niedrig bleibt, damit wir Verpflichtungen zu ihrem Schutz nachkommen können und Integration gelingen kann.

Daniel Rinkert (SPD):

Wir benötigen in Europa ein einheitliches Asylverfahren. Wer sich weigert Flüchtlinge aufzunehmen, darf keine Mittel aus dem EU-Haushalt erhalten. Der Bund sollte die Kosten für die Unterkunft und Versorgung der Flüchtlinge übernehmen, um die Kommunen zu entlasten.

Peter Gehrmann (Grüne):

Der Bund darf die Städte und Gemeinden nicht im Regen stehen lassen. Integration und sozialer Wohnungsbau sollten verstärkt gefördert werden. International müssen die Fluchtursachen bekämpft werden. Kein Mensch verlässt freiwillig seine Heimat.

Bijan Djir-Sarai (FDP):

Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz in Deutschland. Dabei muss zwischen individuell politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und dauerhaften Einwanderern klar unterschieden werden. Wir müssen in der Lage sein, Einwanderung zu steuern.

Roland Sperling (Linke):

Die Kommunen tragen die Folgen der Unterfinanzierung der Flüchtlingsaufnahme. Wir wollen aber gleichwertige Lebensverhältnisse in den Städten. Neben der Flüchtlingsaufnahme braucht es Verbesserungen für die unteren sozialen Schichten durch eine Investitionsinitiative.

Dirk Kranefuß (AfD):

Das Schengen-Abkommen und der Schutz der europäischen Außengrenzen muss umgesetzt werden — von Europa, nicht von der Türkei und Libyen. Wenn die Umsetzung von Schengen nicht möglich ist, muss Deutschland seine Grenzen selbst schützen, was bisher noch nicht geschieht.

Wie können steigende Warenströme und Pendlerverkehre kanalisiert werden, damit es nicht zum Verkehrskollaps kommt?

Hermann Gröhe (CDU):

Die Digitalisierung muss auch für den Öffentlichen Personenverkehr genutzt werden, z. B. mit einer deutschlandweit einheitlichen, digitalen Fahrkarte und durch vernetzte Verkehrsverbünde. Der umfassende, neue Bundesverkehrswegeplan ist zügig umzusetzen.

Daniel Rinkert (SPD):

Wir müssen den Güterverkehr stärker von der Straße auf Schienen- und Wasserwege bringen. Die 269 Milliarden Euro aus dem Bundesverkehrswegeplan müssen wir umsetzen und in die Zukunft investieren. Die Maßnahmen an der B 59n und B 477 müssen realisiert werden.

Peter Gehrmann (Grüne):

Verlässliche Bus- und Bahnverbindungen in ausreichender Kapazität und guter Taktung können Pendler davon überzeugen, nicht mehr das Auto zu nutzen. Im Rhein-Kreis Neuss besteht vor allem für Grevenbroich und Rommerskirchen ein erheblicher Aufholbedarf.

Bijan Djir-Sarai (FDP):

Der Bund muss deutlich mehr Mittel für Verkehrswege bereitstellen. Und das nicht nur für Bundesautobahnen oder Fernstraßen, sondern auch für den schienengebundenen ÖPNV. Kommunen und Länder können den Sanierungsstau nicht alleine beheben.

Roland Sperling (Linke):

Der Verkehrsinfarkt lässt sich nur durch eine Mobilitätswende verhindern: ÖPNV ausbauen, Individualverkehr zurückdrängen, Warentransporte auf die Schiene. Natürlich sozial gestaltet, z.B. durch Einführung des Nulltarifs —gegenfinanziert durch den Wegfall der Dieselsubventionen.

Dirk Kranefuß (AfD):

Wenn die Straßen so schleppend repariert werden wie bisher, wenn die Innenstädte mit Busbarrieren und Feinstaubzonen blockiert werden, wenn der Diesel vom Markt genommen wird: dann kommt der Verkehrskollaps auch ohne Zunahme von Warenströmen und Pendlern.

Wie beurteilen Sie die angestrebte Fusion der kommunalen Krankenhäuser in Dormagen, Grevenbroich und Neuss?

Hermann Gröhe (CDU):

Der Zusammenschluss des Neusser Lukaskrankenhauses und der beiden Kreiskrankenhäuser ist eine gute Chance für eine leistungsstarke, kommunal verantwortete Gesundheitsversorgung an allen drei Standorten — auch in Zukunft!

Daniel Rinkert (SPD):

Die Fusion muss nicht um jeden Preis kommen. Wichtiger ist, dass eine hochwertige medizinische Versorgung im Rhein-Kreis Neuss für die Bürger vorhanden ist und die Krankenhäuser als kommunale Einrichtungen erhalten bleiben. Das kann auch durch Kooperationen sein.

Peter Gehrmann (Grüne):

Das Gesundheitssystem steht aufgrund der Kostenentwicklung vor erheblichen Herausforderungen. Wenn sich Chancen ergeben, die Versorgung vor Ort zu verbessern und auch für die Mitarbeiter keine Nachteile entstehen, sollten alle Optionen ergebnisoffen geprüft werden.

Bijan Djir-Sarai (FDP):

Die Fusion ist ein wichtiges Signal und der erste Schritt, um die gute medizinische Versorgungslage im Rhein-Kreis unter Einhaltung einer soliden finanziellen Grundlage weiter ausbauen und so fit für die Zukunft zu machen.

Roland Sperling (Linke):

Gesundheit ist keine Ware. Krankenhäuser haben der guten ortsnahen Gesundheitsversorgung zu dienen, nicht Gewinninteressen. Eine Fusion, die zu Leistungseinschränkungen, Stellenabbau und Arbeitsverdichtung führt, lehnen wir ab.

Dirk Kranefuß (AfD):

Die Dänen haben 60 Prozent ihrer Krankenhäuser geschlossen und 40 Prozent zu Groß-Krankenhäusern ausgebaut, in den Orten ohne Krankenhäuser ärztliche Behandlungszentren mit niedergelassenen Ärzten geschaffen. Grevenbroich aus Kostengründen schließen.

Die Braunkohle — ein Auslaufmodell? Wie lange wird der heimische Energieträger noch gebraucht?

Hermann Gröhe (CDU):

Im rheinischen Braunkohlerevier darf es keinen Strukturbruch geben! Braunkohle wird —bei Einsatz moderner Kraftwerkstechnik —auch in den kommenden Jahrzehnten ihren unverzichtbaren Beitrag zur Versorgungssicherheit im industriell geprägten NRW zu leisten haben.

Daniel Rinkert (SPD):

Die Braunkohle brauchen wir als Brücke für die Energiewende. Die Leitentscheidung sichert bis 2045 die Arbeitsplätze. Bis dahin sollten Unternehmen, Gewerk- und Belegschaften, Bund, Land und Kommunen Perspektiven für einen erfolgreichen Strukturwandel erarbeiten.

Peter Gehrmann (Grüne):

Der Tagebau in Inden endet circa 2030. Schon heute ist der Braunkohlestrom im Vergleich zu neugebauten Wind- und Photovoltaikparks um 2 Cent/kWh zu teuer. Ein schnellerer Ausstieg ist aus Klimaschutzgründen und langfristig fehlender Wirtschaftlichkeit nicht mehr aufzuhalten.

Bijan Djir-Sarai (FDP):

Wir brauchen die Braunkohle im Energiemix noch mindestens bis 2045. Bis dahin müssen wir es schaffen, den Strukturwandel zu gestalten und neue Technologien im Rhein-Kreis Neuss anzusiedeln, sowie Massenspeicher für die regenerativen Energien zu entwickeln.

Roland Sperling (Linke):

Die Braunkohle ist der größte Klimakiller. Die Pariser Klimaziele können nur durch einen raschen Ausstieg erreicht werden. Die Beschäftigten im Braunkohlerevier darf man nicht allein lassen: ein Strukturwandelfonds mit jährlich 250 Millionen Euro soll für neue Arbeitsplätze sorgen.

Dirk Kranefuß (AfD):

Windkraft und Solar können Braunkohle ersetzen, wenn preiswerte Speichertechnik vorhanden ist. Ob erneuerbare Energien eine bessere Klimabilanz haben, muss bewiesen werden. In der Verschandelung der Landschaft stehen sie Braunkohlegruben in nichts nach.

Was wollen Sie unternehmen, um bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen?

Hermann Gröhe (CDU):

Wohnungsbau ist das beste Mittel gegen ausufernde Mieten! CDU und CSU streben daher an, dass allein bis 2021 insgesamt 1,5 Millionen Wohnungen neu gebaut werden. Wir wollen Neubau von Mietwohnungen und z. B. auch die energetische Gebäudesanierung steuerlich fördern.

Daniel Rinkert (SPD):

Ich werde mich dafür einsetzen, dass mehr Mittel in den bezahlbaren und sozialen Wohnungsbau fließen. Zudem müssen wir die Mietpreisbremse verschärfen, die Modernisierungsumlage begrenzen und ein sozial gestaffeltes Familienbaugeld einführen.

Peter Gehrmann (Grüne):

In den nächsten zehn Jahren wollen wir eine Million günstige Mietwohnungen schaffen. Dafür werden wir den genossenschaftlichen Wohnungsbau fördern. Solange kein ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht, kann auf eine Mietpreisbremse nicht verzichtet werden.

Bijan Djir-Sarai (FDP):

Es muss schlicht mehr Wohnraum her. Dazu wollen wir den Neubau von Wohnungen attraktiver gestalten und die Rahmenbedingungen für Investitionen im Baubereich steuerlich verbessern.

Roland Sperling (Linke):

Aktuell ist die Mietpreisbremse unzureichend. Es gibt zu viele Ausnahmen, z.B. für Neubauten. Eine Verbesserung der Mietpreisbremse ist bislang auch an der SPD gescheitert. Eine starke Linke wird die Ausnahmen abschaffen und auch in Neuss mehr Sozialwohnungen bauen.

Dirk Kranefuß (AfD):

Euro-Flutung durch die EZB und verbotene Übernahme von Staatsschulden hat zur Flucht in die Immobilien geführt. Die steigende staatliche Belastung von Eigentum tut ein Übriges. Wenn Steuern sinken und die EZB die Euro-Entwertung beendet, wird Wohnraum wieder bezahlbar.

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