Neuss Fröhlicher Amnesie-Abend

Neuss · Kabarettistin Nessi Tausendschön zeigte, wie brillant Vergessen sein kann.

Sie klingt wie Nena, wie Nina Hagen und Lena Meyer-Landrut, und sie gibt dem Moderator des Ein-Personen-Interviews eine sonore Männerstimme: Nessi Tausendschön. Die Kabarettistin aus Isernhagen brillierte im Rheinischen Landestheater (RLT) mit einem stimmgewaltigen Auftritt.

Sie provozierte, parodierte, sprach und sang - manchmal sogar vom Vergessen. Denn darum sollte es eigentlich gehen an diesem Abend, der den Titel "Die wunderbare Welt der Amnesie" trug. Den roten Faden scheint Nessi Tausendschön, die im wahren Leben Annette Maria Marx heißt, aber vergessen zu haben.

In Amnesie sei sie Profi, gab sie zu: "Sie glauben ja gar nicht, wie viele Texte ich schon vergessen habe." Das stellte sie dann auch gleich mit einem scheinbar improvisierten Lölölö-Jazz unter Beweis. Bewiesen hat die Trägerin des deutschen Kleinkunstpreises damit aber vor allem wieder einmal, dass sie wirklich singen kann.

Sie sprach von der als Hoeness-Amnesie bekannten Steuer-Vergesslichkeit, der Muttertags-, Geburtstags- und Hochzeitstags-Amnesie. Vergessen, so ihre These, sei eine Art Schutzfunktion des modernen Menschen, um im Informationsdschungel überleben zu können.

Die Medien funktionierten als "riesige Amnesie-Maschine" nach dem Motto: "Heute Empörung, morgen ein neues Thema". So hätten etwa 2009 große Demonstration gegen das iranische Regime die Schlagzeilen beherrscht - bis plötzlich Michael Jackson starb. "Da hat es ja Gerüchte gegeben, dass Ahmadinedschad selbst ihn umgebracht hat, um von den Demos abzulenken." Nach dieser Masche, so Frau Tausendschön, würden wir bei Einführung der Maut "ganz schnell Helene Fischer los".

Zwischen all dem Vergessen gab es gefühlvolle, energiegeladene Songs und eine grandiose Max-Raabe-Parodie. Selbstverständlich ließ Nessi Tausendschön mehrfach die "singende Säge" jammern - sie ist das Markenzeichen der Kabarettistin.

Erstklassig an Gitarre, Banjo, Slide und Drums begleitet wurde Nessi vom Kanadier William Mackenzie. Dessen Namen, so erklärt die Kabarettistin, könne sich kein Mensch merken. Ihr gelinge es nur mit der Eselsbrücke "Ich kenne Sie, Herr McKenzie." Neuss kennt ihn jetzt auch - und vergisst seinen Namen gewiss ebenso wenig wie den seiner Partnerin, Frau - äh - wie noch gleich?

(dagi)
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