Neuss Für den Grimme-Preis aus China angereist

Neuss · Gregor Koppenburg, geboren in Hoisten und heute in Peking lebend, ist mit dem Grimme-Preis in der Sparte "Information und Kultur" ausgezeichnet worden. Zusammen mit Minsu Park drehte er den Film "Sewol".

 Gregor Koppenburg mit Grimme-Preis und vor dem Schild, das seine Heimat markiert: Der 36-Jährige wurde in Hoisten geboren.

Gregor Koppenburg mit Grimme-Preis und vor dem Schild, das seine Heimat markiert: Der 36-Jährige wurde in Hoisten geboren.

Foto: Woi

Was für eine bemerkenswerte Vorstellung: Auf einem der neun Millionen Fahrräder in Peking, die Katie Melua in ihrem Liebeslied von 2005 besingt, sitzt ein hochgewachsener Neusser. "That's a fact", behauptet die Sängerin. Sie meint damit, dass die Anzahl der Fahrräder eine Tatsache ist, so wie ihre Liebe zu einem "you". Aber auch der Neusser Gregor Koppenburg auf einem Fahrrad in Peking ist eine Tatsache. Seit drei Jahren lebt und arbeitet er in der chinesischen Hauptstadt. "Ich genieße das Leben hier sehr. Um dem Stau zu entfliehen, fahre ich viel Fahrrad", schreibt er nach Hause.

Jetzt ist der 1981 in Hoisten Geborene für eine Stippvisite nach Deutschland gekommen. Anlass war die Verleihung des Grimme-Preises an ihn und seinen Freund Minsu Park für den Film "Sewol", eine Dokumentation über eine der furchtbarsten Schiffskatastrophen in den vergangene Jahrzehnten. Im April 2014, also vor genau vier Jahren, versank die koreanische Fähre "Sewol". Sie riss 304 Menschen, die meisten davon Schulkinder, mit sich in die Tiefe. Minsu Parks Film, für den Gregor Koppenburg das Drehbuch schrieb, begleitet über ein Jahr lang den Schmerz, die Wut und die Hilflosigkeit von fünf betroffenen Familien.

Die beiden Grimme-Preisträger haben sich an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen kenngelernt. Der Neusser hatte 2001 am Nelly-Sachs-Gymnasium die Abiturprüfung bestanden und danach ein Zeit lang beim Rheinischen Landestheater mitgearbeitet. In dem Theater-Jugendclub unter Leitung von Thomas Hupfer bekam er viele Impulse, die in seiner beruflichen Arbeit bis heute nachwirken. Nach einem Literaturstudium in Düsseldorf ging Gregor Koppenburg für ein Zweitstudium nach München: "Dort landete ich bei Michael Gutmann im Drehbuchstudiengang, und diese Zeit hat mich sehr gepackt."

Am wichtigsten aber war die Arbeit an seinem mit Park erstellten Abschlussprojekt, dem Film "Sewol". Koppenburg erinnert sich: "Die Entstehung des Buchs war emotional ziemlich anstrengend. Es ging ja um Menschen, die ihre Kinder verloren haben. Welche Fragen sollte man ihnen stellen, ohne Grenzen zu überschreiten? Denn nicht jede Kultur geht mit Trauer gleich um." Beide Filmemacher haben noch heute Alpträume von jenen, das Herz zerreißenden Gesprächen.

Asien war für den Neusser schon immer ein faszinierender Kontinent. Und in Peking findet er gute Arbeitsmöglichkeiten. Er schreibt Drehbücher und kommt als Regieassistent oder Kameramann viel herum. Dieses Jahr war er bereits in Bangladesh und Tanzania. "Als Autor ist man ja glücklicherweise nicht fest an einen Ort gebunden, und das Internet macht die Wege kurz", erklärt er die Wahl seines Wohnsitzes. Sein Auftritt bei der Verleihung des Grimme-Preises im Stadttheater von Marl dauerte nur wenige Minuten. Schließlich wurden dort über 70 Preisträger auf die Bühne geholt.

Kurz war auch seine Stippvisite im Rheinland - natürlich mit Besuch der Familie in Hoisten. Nun radelt Gregor Koppenburg wieder durch Peking. Aber seine Heimat bleibt Neuss: "Seit ich in China lebe, komme ich immer um Weihnachten herum nach Hoisten und verbringe dann einige Wochen mit meiner Familie."

(NGZ)
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