Neuss Gesamtschüler spielen große Politik

Neuss · Beim Planspiel haben Erfttaler Gesamtschüler die Rolle von Politikern und Regierungen übernommen. Diese Form der Wissensvermittlung soll das Verständnis für politische Prozesse stärken und Jugendliche für solche interessieren.

 Nizam Kandemir und David Spicker (v.l.) übernehmen in dem Planspiel die Rollen des türkischen Ministerpräsidenten und seines Stellvertreters. Beide zeigen - wie auch ihr Mitschüler - großen Einsatz.

Nizam Kandemir und David Spicker (v.l.) übernehmen in dem Planspiel die Rollen des türkischen Ministerpräsidenten und seines Stellvertreters. Beide zeigen - wie auch ihr Mitschüler - großen Einsatz.

Foto: Andreas Woitschützke

In der kurzen Pause wird heftig diskutiert."Es ist echt krass, was die MHP vorhat", sagt Nizam Kandemir, 18-jähriger Schüler der Gesamtschule an der Erft. Seine Mitschüler steigen ein. Überraschend. Denn es kommt selten vor, dass Jugendliche in der Pause da weitermachen, wo der Unterricht gerade aufgehört hat. Noch erstaunlicher ist es, wenn es dabei um Politik geht. Denn MHP ist die Abkürzung für Milliyetçi Hareket Partisi - die rechtsextreme Partei ist drittstärkste Kraft im türkischen Parlament.

Die diskutierenden Jugendlichen haben allerdings auch gerade keinen normalen Unterricht besucht, sondern sie machen bei einem sogenannten Planspiel mit. Für zwei Tage haben rund 30 Schüler des zwölften Jahrgangs die Rolle politischer Akteure übernommen. So spielen die einzelnen Schüler Vertreter von Parteien, des Militärs, der Zivilgesellschaft in der Türkei, aber auch von EU-Institutionen und europäischen Regierungen. In den Simulationen sollen sie eine Roadmap - einen Plan, der den Beitritt der Türkei in die EU vorbereitet - verabschieden.

Die Idee dahinter ist, dass Schüler die Abläufe in politischen Institutionen, zum Beispiel im Parlament, möglichst wahrheitsgetreu nachspielen. So sollen sie ein Verständnis für politische Prozesse entwickeln. "Wir möchten Jugendliche für Politik interessieren und ihre Bereitschaft, sich einzubringen, stärken", erklärt Christian Testorf von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Bonn. Die Stiftung, die interessierten Schulen Planspiele zu verschiedenen Themen anbietet, hat zwei Moderatorinnen nach Neuss geschickt.

"Wir erklären den Ablauf und beantworten Fragen, ansonsten halten wir uns zurück", sagt Lisa Rohrer, eine der zwei. Die Schüler müssen sich organisieren und die gestellten Aufgaben eigenständig erarbeiten. Und das tun sie mit großem Ernst. Die Gruppe, die das türkische Parlament simuliert, diskutiert die einzelnen Punkte der Roadmap und stimmen darüber ab. Worte wie "Tagesordnung, Unterpunkt, Schriftführer" schwirren durch den Raum, die Schüler siezen sich untereinander.

"Dabei müssen die Schüler diskutieren, kleine Vorträge halten, kooperieren und zum Schluss aber auch entscheiden", erklärt Willi Breuer, Rektor der Gesamtschule an der Erft. Viele wichtige Fähigkeiten würden so geübt. Damit sich die Schüler in den Themen auskennen, haben sie vorher drei Tage lang die Geschichte der Türkei und die Institutionen der Europäischen Union behandelt - das Planspiel findet in einer Projektwoche statt. "Die Schüler beschäftigen sich intensiv mit einem Thema und identifizieren sich mit der Aufgabe" sagt Breuer.

So wie Nizam Kandemir und David Spicker. Die beiden 18-Jährigen spielen den türkischen Ministerpräsidenten und seinen Stellvertreter. "Es ist schon geil, in solch eine Rolle hineinzuschlüpfen", sagt Spicker und ergänzt: "Das macht mehr Spaß als bloße Theorie." Auch Kandemir, der auch Schulsprecher ist, zeigt sich begeistert: "Wir bekommen einen guten Einblick, wie Politik abläuft." Und das ganz spielerisch.

(NGZ)
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