Neuss Geschmack für die Welt

Neuss · Der Neusser Aromen-Spezialist Silesia produziert in Allerheiligen Geschmacksstoffe für die Nahrungsmittelindustrie.

 Wonach schmeckt's denn? Die Verkoster bei Silesia haben eine derart feine Sensorik, dass sie mehr als 500 Geschmacks-Komponenten erkennen können.

Wonach schmeckt's denn? Die Verkoster bei Silesia haben eine derart feine Sensorik, dass sie mehr als 500 Geschmacks-Komponenten erkennen können.

Foto: Benjamin Leers

Ein Joghurt schmeckt zumeist nicht nach Erdbeere, weil in der Fabrik Mutter Früchte schnippelt und mit sanftmütigem Lächeln in die Holzschale schüttet. Sondern weil Spezialisten den Geschmack der Erdbeere nachbauen und als Aroma an den Joghurt-Hersteller liefern. Das muss sein, weil weltweit gar nicht genug Erdbeeren angebaut werden können, um den Bedarf an Erdbeer-Geschmack in der Lebensmittelindustrie zu decken. Dazu braucht die Nahrungsmittelindustrie die Rohstoffe, die zum Beispiel der Neusser Aromen-Hersteller Silesia produziert - Geschmack für die Welt.

Am Stammsitz in Allerheiligen entstehen laufend neue Aromen und werden bestehende Rezepturen verfeinert und umgesetzt. Ein neues Aroma entsteht, indem die Analytik-Abteilung bei Silesia etwa eine bestimmte Frucht analysiert und deren eigenen Aromastoffe ermittelt. Warum schmeckt die Erdbeere also wie die Erdbeere? Aber nicht die analytische Technik alleine entwickelt ein neues Aroma, sondern der menschliche Geschmack nimmt entscheidenden Einfluss. Dafür beschäftigt Silesia in Neuss ein gutes Dutzend sogenannter Flavouristen, sie sind die Geschmackstester. Diese Sensorik-Spezialisten können mehr als 500 verschiedene Komponenten am Geschmack erkennen, ähnlich wie Parfümeure in der Kosmetik-Industrie am Geruch. "Den letzten Aufschluss gibt immer der menschliche Geschmack", sagt Clemens Hanke, der das Unternehmen seit 1996 leitet. "Die Natur ist unser Vorbild."

 Mehr als 20 000 Rezepturen für Aromen hat Silesia im Portfolio für die unterschiedlichsten Lebensmittel.

Mehr als 20 000 Rezepturen für Aromen hat Silesia im Portfolio für die unterschiedlichsten Lebensmittel.

Foto: Silesia

Steht die Rezeptur fest, wird das Aroma in der Applikation in verschiedenen Medien - also zum Beispiel Bonbons, Fruchtgummis, Joghurts und ähnlichem - getestet. Ob ein Aroma in flüssiger Form oder in Pulverform dem Kunden angeboten wird, richtet sich danach, in welchem Produkt das Aroma letztlich den Geschmack ausmachen soll. In der Produktion werden im einfachsten Fall bis zu 60 verschiedene Komponenten gemischt oder mittels komplexer Technologien in unterschiedlichen Herstellungsverfahren zu einem Aroma gefertigt. Flüssige Aromen werden in Neuss produziert, pulverförmige und mikroverkapselte Aromen werden im Werk in Kalkar hergestellt.

In Neuss sind in einem Neubau, der 2014 eröffnet wurde, ein neues Kundenzentrum, Teile der Verwaltung, Produktmanagement und die Anwendungstechniken untergebracht. Bei letzteren handelt es sich um Lebensmittelproduktionen im kleinen Maßstab. "Somit können wir für jedes Lebensmittel das passende Aroma empfehlen", sagt Hanke. In Allerheiligen arbeiten 300 der weltweit 740 Mitarbeiter der Gruppe. Am zweiten deutschen Produktionsstandort in Kalkar sind etwa 100 Mitarbeiter beschäftigt. In den 23 ausländischen Schwestergesellschaften sowie in den Werken Chicago/Illinois (USA) und Shanghai (China) arbeiten 330 Mitarbeiter. In Asien werden weitere Gesellschaften hinzukommen. Am Hauptsitz in Singapur, wo derzeit Entwicklung und Vertrieb für den asiatischen und den Pazifik-Raum sitzen, wird an einem neuen Produktionswerk gearbeitet. Es wäre das fünfte der Gruppe. "Wenn alles planmäßig läuft, dann wollen wir Anfang 2017 in Singapur mit der Produktion beginnen", sagt Clemens Hanke.

Im Jahr 2013 sorgte eine Betriebsstörung bei Silesia für eine nach Suppenwürze riechende Duftwolke über dem Rheinland. In Köln etwa roch es nach "Maggi", das Phänomen machte in sozialen Netzwerken und bei Twitter als "Maggikalypse" die Runde. Um eine ähnliche Störung künftig zu vermeiden, wurden in Abstimmung mit TÜV und Behörden zusätzliche Maßnahmen ergriffen. Für den Routinebetrieb reinigt unter anderem ein Biofilter mit Mikroorganismen die Luft, Nasswäscher und Abluftfilter nehmen zusätzlich Geruchsmoleküle aus der Luft. "Dabei handelt es sich ausschließlich um unsere gefilterte Raumluft, nicht um Abgase", sagt Michael Mausbach, Geschäftsführer bei Silesia. "Olfaktometrische Messungen und Rasterbegehungen mit Probanden helfen dabei, die Ausbreitung von Gerüchen zu kontrollieren. Dabei unterschreiten wir die vorgeschrieben Werte deutlich."

(NGZ)
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