Neuss Glatteis: Bürger verklagen Stadt

Neuss · Nach zwei Monaten mit viel Schnee, Eis und rutschigen Straßen könnten auf die Stadt bald viele Klagen zukommen. Fünf bis zehn Schadensersatzforderungen gehen im Schnitt in einem "normalen" Winter beim Rechtsamt ein.

 15 Mal wurde die Stadt Neuss im vergangenen Jahr von Schnee- und Glatteisopfern wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Schmerzensgeld verklagt.

15 Mal wurde die Stadt Neuss im vergangenen Jahr von Schnee- und Glatteisopfern wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Schmerzensgeld verklagt.

Foto: ddp

Sie haben sich lang gemacht, sind hingeknallt oder ausgerutscht, haben sich etwas gebrochen, verrenkt oder gestaucht. 15 Mal wurde die Stadt Neuss im vergangenen Jahr von Schnee- und Glatteisopfern wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Schmerzensgeld verklagt. Weil der Winter in diesem Jahr besonders hartnäckig ist und den Kommunen streckenweise das Streusalz ausging, fürchten viele Städte jetzt eine regelrechte Glatteis-Klagewellen.

Klaus Kokol, Leiter des Neusser Rechtsamtes, sieht der Situation halbwegs gelassen entgegen. "Da kommt was", sagt er. Bislang liegt auf seinem Schreibtisch ein aktueller Fall aus 2010. Im Laufe des Jahres dürften es allerdings mehr werden. Fünf bis zehn Schadensersatzforderungen gehen im Schnitt in einem "normalen" Winter beim Rechtsamt ein. Und seit Anfang Januar herrscht auf Neusser Straßen und Gehwegen Ausnahmezustand. Viele Verletzungen sind noch nicht ausgeheilt, und Ansprüche aus Glatteis-Unfällen verjähren erst nach drei Jahre.

"Wenn sich ein Bürger persönlich oder über einen Anwalt bei uns meldet, ermitteln wir erst einmal den Sachverhalt", erklärt Kokol. Das heißt: Die Stadt überprüft, ob sie für den Teil des Gehweges oder der Straße, auf dem oder der der Unfall passiert ist, zuständig ist. Hauseigentümer oder Mieter haben auf ihren Grundstücken eine eigene Räum- und Streupflicht. Bei einem Unfall muss festgestellt werden, wer seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat: die Stadt oder der Privatmann. Ist die Stadt die Böse, zahlt in der Regel der Kommunale Schadesausgleich westdeutscher Städte (KSA) — eine Art Versicherung.

Arm- und Beinbrüche durch schlecht beziehungsweise gar nicht geräumte Straßen sind nämlich Schadenszenarien, mit denen Kommunen rechnen müssen. Und wie jede Person haften sie im Schadenfall. Privatleute und private Unternehmen sichern sich gegen das Risiko durch eine Haftpflichtversicherung ab. Während Bund und Länder die Schäden aus dem laufenden Haushalt decken, können Kommunen das meistens nicht. Dort springt der KSA ein.

"Kommt es zum Prozess", sagt Kokol, "gewinnt allerdings fast immer die Stadt." In den 15 Glatteis-Verfahren im Jahr 2009 zum Beispiel gaben die Gerichte nur in zwei Fällen den klagenden Bürgern recht. In 13 Fällen siegte die Kommune. "Der finanzielle Aufwand ist für die Stadt so oder so hoch", sagt der Rechtsamtsleiter. "Auch wenn eine Klage zurückgewiesen wird. Dass Bürger klagen, kann ich auf der anderen Seite verstehen. Schließlich ist das ihr gutes Recht."

(NGZ)
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