Neuss Gynäkologin hilft Opfern von sexueller Gewalt

Neuss · Die Ärztin Sabine Pelz nimmt an einem Projekt zur vertraulichen Spurensicherung teil. Es soll Frauen helfen, Taten anzuzeigen.

 Sabine Pelz in ihrer Praxis in der Elisenstraße. Hier können Frauen, die Opfer von Gewalttaten wurden, anonym Beweise sichern lassen.

Sabine Pelz in ihrer Praxis in der Elisenstraße. Hier können Frauen, die Opfer von Gewalttaten wurden, anonym Beweise sichern lassen.

Foto: Woi

Gewalt gegen Frauen ist Alltag in Deutschland. 40 Prozent aller Frauen ab 16 Jahren gaben in Studien an, Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt zu sein. Doch nur ein Bruchteil der Taten wird angezeigt. Das landesweite Modellprojekt Gewaltopfer-Beweissicherungs-Informationssystem - kurz GOBSIS - ermöglicht Gewaltopfern die vertrauliche und anonymisierte Spurensicherung. In Neuss nimmt als einzige niedergelassene Fachärztin die Gynäkologin Dr. Sabine Pelz daran teil.

Das Thema Gewalt gegen Frauen treibt Pelz schon seit vielen Jahren um. Als beratende Ärztin ist sie bei der Frauen- und Jugendberatungsstelle sowie beim Sozialdienst katholischer Frauen aktiv. "So bin ich mit GOBSIS in Berührung gekommen", sagt sie. "Es ist eine Alternative zum bisherigen Ablauf, der zunächst die Anzeigenerstattung und dann den Befund vorsieht."

Denn viele Taten kämen nicht zur Anzeige, so Pelz. "Eine Vergewaltigung ist für die meisten Frauen traumatisierend und schambesetzt", sagt sie. Anstatt den Täter zur Rechenschaft ziehen zu wollen, zögen sich viele Frauen zurück. "Nicht selten gehen Vergewaltigungsopfer nach der Tat direkt in die Wanne oder unter die Dusche und kommen die nächsten Stunden nicht wieder raus. Die meisten biochemischen Spuren sind dann weg."

Um das zu verhindern, wünscht sie sich: "Gewaltopfer sollten direkt vom Kampfplatz in die Praxis oder Klinik gehen und die Befunde sichern lassen." Die Beweise, die Kliniken und Ärzte sichern, die an GOBSIS teilnehmen, werden gerichtsfest dokumentiert. Dafür sorgt die Kommunikationsplattform, die das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf im Auftrag des NRW-Gesundheitsministeriums entwickelt hat. Dort sind Checklisten und Anleitungen zur Dokumentation und Asservierung von Untersuchungsmaterial zu finden. Bei Bedarf können Rechtsmediziner hinzugezogen werden.

"Der eigentliche Untersuchungsablauf hat sich durch GOBSIS nicht verändert", sagt Pelz. Die gerichtsfeste Beweissicherung sowie die korrekten Verfahrensabläufe sind ihr seit vielen Jahren vertraut. Ebenso die geduldige und zugewandte Gesprächsführung. Schließlich hat sie schon rund 25 Vergewaltigungsopfer und noch viel mehr Opfer häuslicher Gewalt behandelt.

"Neu ist vor allem die Dokumentation und Einordung nach dem vorgegebenen Schema des GOBSIS-Computerarchivs", sagt Pelz. Mit dem Programm hat sie sich in ihrer Freizeit vertraut gemacht. Zusätzliche Einkünfte hat sie nicht durch das GOBSIS-Projekt. Es ist ihr vielmehr ein Herzensanliegen: "Es macht mich verrückt, wenn ich Frauen, die Gewalt erleben müssen, nicht weiterhelfen kann", sagt sie.

Die Reaktion von Gewaltopfern sei aber individuell verschieden. "Manche sind unentschlossen, ob sie ihren Peiniger überhaupt anzeigen sollen, andere sind furchtbar entsetzt oder verängstigt, und wieder andere sind skeptisch und wollen zunächst alle weiteren Schritte ganz genau überlegen", zählt Pelz auf. Die anonyme Spurensicherung ermögliche, Beweise gerichtsfest dokumentieren zu lassen. "Dann können die Frauen immer noch in Ruhe überlegen, ob sie Anzeige erstatten", so Pelz. "GOBSIS ist für mich ein Mosaikstein in der Gesamtstrategie, Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, helfen zu wollen."

(NGZ)
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