Neuss Humor ist für den Autor Matthias Nawrat unverzichtbar

Neuss · Mit Matthias Nawrat, einem Shooting-Star der jüngeren deutschen Literaturszene, ging der Literarischer Sommer in Neuss zu Ende.

 Matthias Nawrat war letzter Gast beim Literarischen Sommer.

Matthias Nawrat war letzter Gast beim Literarischen Sommer.

Foto: salz

Christine Breitschopf, Moderatorin des Abends und Mitglied der Festivalleitung, hebt direkt zu Beginn auf das Besondere des Romans ab: auf den Humor, den Matthais Nawrat als Stilmittel für "Die vielen Tode unseres Opas Jurek" wählte, seinem jüngsten Roman, aus dem er in der Stadtbibliothek liest, und der die Literaturkritik dazu veranlasste, sein Buch als Schelmenroman zu klassifizieren. "Humor ist für mich die einzige Möglichkeit gewesen, mich mit meiner Familiengeschichte auseinanderzusetzen", sagt Matthias Nawrat.

Sein Roman beginnt mit dem Begräbnis von Opa Jurek, bei dem die Familie zusammentrifft, und die Enkel episodenhaft an dessen Leben erinnern. Tatsächlich habe der Tod seines Großvaters den Ausschlag gegeben, dieses Buch zu schreiben, verrät er, als ihm bewusst wurde, dass mit dem Großvater auch die Erinnerungen sterben. Und so erzählt Matthias Nawrat nicht nur die Geschichte Polens des 20. Jahrhunderts in Anlehnung an die Biografie seines polnischen Großvaters, sondern er begibt sich auch auf die Suche nach seiner Kindheit und seinen eigenen Wurzeln. Geboren wurde er 1979 im polnischen Opole, kam mit zehn Jahren als Spätaussiedler mit seinen Eltern nach Bamberg, studierte zunächst Biologie und wechselte später, als seine Leidenschaft zu Schreiben stärker wurde als sein Interesse an Naturwissenschaft, nach Biel ans Schweizerische Literaturinstitut. Schon seine ersten beiden Romane wurden mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet; für sein drittes Werk "Die vielen Tode unseres Opas Jurek" erhielt er den Förderpreis des Bremer Literaturpreises sowie die Alfred Döblin-Medaille.

Dass es zahlreiche biografische Züge aufweist, habe ihm das Schreiben nicht gerade erleichtert, gibt er zu: Fünf Jahre habe er an dem Text gesessen, nicht zuletzt deshalb, weil er die ersten 100 Seiten wieder verwarf. Erst später entschied er sich, aus der Perspektive der beiden Enkelkinder des Opas Jurek zu erzählen und auf den Humor als Stilmittel zu setzen.

Der Humor spielte für seinen Großvater eine wichtige Rolle: "Er war für ihn eine Überlebensstrategie. Nur so konnte er seine Würde behalten", sagt Matthias Nawrat. Dass er auch aneckt, wenn er die Erlebnisse des Opas Jurek in Ausschwitz fast kindlich naiv schildert, nimmt er bewusst in Kauf. Denn er möchte die Leser berühren und sie aus ihrer Gemütlichkeit herausreißen. "Das Wort Konzentrationslager erschüttert uns heute nicht mehr. Erst mit einer veränderten Sicht auf die Dinge kann man den Leser empören", meint er.

Zwischendurch gerät Nawrat ins Plaudern, erzählt von der Atmosphäre der 1970er und 1980er Jahre, spricht polnisch mit einer Zuhörerin, die ebenso wie er in Opole zur Welt kam.

Und er bringt seine Zuhörer auch zum Lachen. Mit der Schilderung des traurig-komischen Familienstreits vor der Auswanderung nach Deutschland. Oder mit dem Kapitel über die Husarenrüstungen, die Opa Jurek statt der erhofften Lebensmittel in seinen Delikatessenladen geliefert wurden. Eine Lesung, die berührt und nachwirkt. Gern hätte man dem Autor mehr Zuhörer gewünscht.

Info Matthias Nawrat: Die vielen Tode unseres Opas Jurek, Reinbek 2015, Rowohlt Verlag, 414 Seiten, 10,99 Euro.

(NGZ)
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