Neuss ifo-Präsident beim Wirtschaftsforum

Neuss · Protektionismus, sichtbare und unsichtbare Mauern bedrohen den Welthandel. Das strahlt bis in den Rhein-Kreis.

 Sparkassen-Vorstand Michael Schmuck (l.) und IHK-Vizepräsident Christoph Buchbender (r.) begrüßten Clemens Fuest, den Präsidenten des ifo-Instituts beim Strategieforum Außenwirtschaft.

Sparkassen-Vorstand Michael Schmuck (l.) und IHK-Vizepräsident Christoph Buchbender (r.) begrüßten Clemens Fuest, den Präsidenten des ifo-Instituts beim Strategieforum Außenwirtschaft.

Foto: woi

Großbritannien verlässt die EU, US-Präsident Trump proklamiert die Abschottung der amerikanischen Wirtschaft, und der Welthandel hat spürbar an Fahrt verloren - ist der deutsche Exporterfolg in Gefahr? Zu diesem Thema referierte Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, jetzt im Forum der Sparkasse Neuss. Rund 230 Unternehmer waren der Einladung gefolgt. "54 Prozent des Umsatzes der Unternehmen in unserer Region werden im Ausland erwirtschaftet - das Thema ist für uns also von großer Bedeutung", sagte IHK-Vizepräsident Christoph Buchbender zur Begrüßung. "Gab es früher den freien Austausch von Gütern und Diensten, werden heute im Welthandel sichtbare und unsichtbare Mauern hochgezogen."

Zeitenwende? Ende der Globalisierung? Einbrüche der deutschen Exporte? Die ganz großen Fragen waren bei Clemens Fuest bestens aufgehoben. In seiner unerschrocken-souveränen Art dröselte der Top-Ökonom die Lage auf und scheute nie den Klartext. Widersprüchlich sei die Welt heute, der ifo-Index sei auf einem Rekordhoch, und der Export brumme anhaltend. Und dennoch drängt sich die Frage nach dem "Wie lange noch?" auf. "Fraglos", stellte Fuest fest, "geht eine 60-jährige Epoche zu Ende." Deutsche Leistungsbilanzüberschüsse wie in den vergangenen Jahren hätten keine Garantie mehr. "Der einzige Grund zu exportieren, ist zu importieren", überraschte Fuest mit einer ungewohnten Sentenz.

Mit den aktuellen, von der Welthandelsorganisation (WTO) geschaffenen Rahmenbedingungen könne Deutschland gut leben. Nicht allein wegen des Brexit und US-Präsident Trump steige aber die Unsicherheit, konstatierte der ifo-Präsident: "Man wartet ab." Große Gefahren werden unter dem Stichwort alternde Bevölkerung festgemacht. Für Unternehmen sei es viel lohnender, in den jungen Überseegesellschaften aktiv zu werden. Gäbe es hierzulande keine Verjüngung, sei spätestens in zehn Jahren mit einem Erdbeben zu rechnen. Also spräche viel dafür, nicht lediglich 200.000 qualifizierte Migranten ins Land zu lassen, sondern bis zu 400.000 jährlich.

Ebenso unorthodox ist Fuests Meinung zum Brexit: "Am liebsten wären mir zehn Jahre des Übergangs." Über alles sollte gleichzeitig gesprochen werden, wobei auch die Außen- und Sicherheitspolitik nicht außen vor bleiben dürfe. Diese Idee griff Nick Leake von der Britischen Botschaft gern auf: "Beim Brexit geht es nicht darum, einen einzigen Knopf zu bedienen, sondern wir brauchen eine die Lautstärke regelnde Behutsamkeit." Mit Blick auf den Brexit bemerkte Fuest: "Alle Beteiligten werden verlieren - die Frage ist, wie viel." Etwa ein Prozent seines BIP verdanke Deutschland dem Handel mit Großbritannien. "Am Ende wird es vermutlich auf ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich hinauslaufen."

Zum Abschluss gab Fuest der Politik einige Ratschläge mit auf den Weg, wie das deutsche Export-Erfolgsmodell bewahrt werden kann: "Stärken und schützen Sie die Welthandelsorganisation, multilaterale Regelungen sind besser als bilaterale." Es komme darauf an, dass in Zukunft mehr Gewinner von Freihandel und Globalisierung profitieren als bisher. Auch die Handelskompetenz der Europäischen Union, die auf internationaler Bühne ein stärkeres Gewicht als Deutschland allein habe, gelte es zu bewahren.

Nach der richtigen Strategie in dieser außenwirtschaftlichen Gemengelage wurden auf dem Podium zwei Unternehmer von Moderator Heinz G. Stüwe befragt. Dirk Burger vom Mönchengladbacher Textilmaschinenfabrikant Trützschler: "Lokal produzieren und möglichst keine Patente aus der Hand geben." Pascal Wagner, Hydro Aluminium Deutschland GmbH, Grevenbroich: "Auf Innovation, Qualität und Service setzen."

(NGZ)
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