Neuss IHK-Initiative ermöglicht jungen Menschen ohne Abschluss Ausbildung

Neuss · Rafael Nöthling verließ die Schule nach der 9. Klasse ohne Abschluss. Dank einer Initiative der IHK hat der 25-Jährige aber einen Ausbildungsplatz als Koch bei 3M gefunden. Dort wurde ihm das nötige Vertrauen geschenkt.

 Rafael Nöthling arbeitet in einem Team von 15 Angestellten. Zusammen kochen sie für rund 800 bis 1000 Kunden

Rafael Nöthling arbeitet in einem Team von 15 Angestellten. Zusammen kochen sie für rund 800 bis 1000 Kunden

Foto: berns

Wenn Rafael Nöthling auf seine Schulzeit zurückblickt, konstatiert er selbstkritisch: "Ich habe falsche Prioritäten gesetzt." An der Realschule Holzheim war er im Handball-Förderprogramm. Er habe sich zu sehr auf den Sport konzentriert, sagt er. Dann musste er auf die Hauptschule wechseln. "Da hat meine Motivation endgültig nachgelassen", sagt er. Nach der 9. Klasse verließ er die Schule ohne Abschluss. An der Volkshochschule holte er die mittlere Reife nach, jobbte auf Teilzeit an der Spülmaschine eines Neusser Unternehmens. Über 50 Bewerbungen um Ausbildungsstellen blieben erfolglos. Oft kam nicht mal eine Antwort.

Über einen Mitarbeiter ergab sich ein Kontakt zu Werner Gieseke (54), dem Leiter der Küche bei 3M. Und der führte Nöthling zurück auf die Sonnenseite des Lebens. Denn damals startete die IHK gerade die "Ausbildungsoffensive 100+". Damit sollte schulisch schwächeren Jugendlichen eine Ausbildung ermöglicht werden. Die teilnehmenden Unternehmen wurden mit besonderen Förderprogrammen der IHK unterstützt und entlastet.

"Wir haben sofort gesagt: Okay, da stellen wird einen Platz zur Verfügung", sagt Diana Klömpken, Ausbildungsleiterin von 3M. Küchenleiter Werner Gieseke stieß auf Nöthling. Der 25-Jährige sollte zur Fachkraft im Gastgewerbe ausgebildet werden. Und anfangs war es nicht einfach, erinnert sich Gieseke. "In unserem normalen Bewerbungsverfahren wäre er durchs Raster gefallen", sagt der 54-Jährige. Im Schneiden von Salat und Gemüse sei Nöthling deutlich langsamer gewesen. "Ich habe mich oft über mich selbst geärgert, aber mir wurde immer wieder das Vertrauen geschenkt", sagt Nöthling. Weder er, noch 3M bereuen das heute. Denn der 25-Jährige hat sich gut entwickelt. Nach einem halben Jahr änderte er die Ausbildung. Statt der zweijährigen Ausbildung zur Fachkraft wird er nun über drei Jahre zum Koch ausgebildet. "Wir waren sehr zufrieden. Er hatte gute Noten, ist aufgeblüht und kocht köstlich", sagt Gieseke. Das weiß nun auch der Personalchef von 3M. Denn der wurde für eine Zwischenprüfung bekocht. Es gab Cordon bleu mit Champignons, Herzoginkartoffeln und Gemüse, zum Nachtisch Lebkuchenmousse. Zu Nöthlings Aufgaben gehören auch Kommissionierung und die Lagerhaltung der Küche zu pflegen. Er arbeitet in einem Team von 15 Angestellten. Zusammen kochen sie für rund 800 bis 1000 Kunden. Im Juni hat er seine Abschlussprüfung. Ob er danach bei 3M bleibt, ist nicht klar. "Ich bin sehr dankbar für diese große Chance", sagt der 25-Jährige. Aber nun sei er flexibel. Er erwägt eine Weiterbildung zum Lebensmitteltechniker, könne sich aber auch vorstellen, als Saison- oder Schiffskoch zu arbeiten. Bei 3M suchen sie derzeit noch einen neuen Auszubildenden in der Küche fürs kommende Jahr.

Dann allerdings nicht mehr im Rahmen der "Ausbildungsoffensive 100+". Die hat die IHK nämlich inzwischen eingestellt. So positiv auch die Geschichte von Rafael Nöthling ist - sie blieb ein Einzelfall. "Der Erfolg des Programms war leider überschaubar", sagt Heinrich Backes, Referent für Ausbildung bei der IHK. Der Misserfolg sei dabei nicht die Entwicklung der Teilnehmer, sondern dass es so wenige waren. Über 400 Schüler seien pro Jahr angesprochen worden. Es hätten aber immer nur rund 20 an dem Programm teilgenommen. Daher hat die IHK ein neues Programm für Jugendliche mit schulischem Defizit aufgesetzt. "Catch up" heißt das Format. Das soll die entsprechenden Jugendlichen bei drei festen Veranstaltungen an Berufskollegs schneller und unverbindlicher in Kontakt mit Unternehmen bringen.

(NGZ)
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