Neuss In der einsamsten Einkaufspassage der Welt

Neuss · Ibrahim Bozkir (53) ist mit seinem Schlüsseldienst der einzige verbliebene Gewerbetreibende in den Büchel-Arkaden. Die Umsätze sind mickrig, weil Laufkundschaft fehlt. Aber es gibt Hoffnung: Bald soll es neue Mieter geben.

 Der letzte Geschäftsmann in den gähnend leeren Büchel-Arkaden ist Ibrahim Bozkir. Er macht kaum noch Umsatz, weil die Laufkundschaft fehlt. Angeblich gibt es aber bald zwei neue Nachbarn.

Der letzte Geschäftsmann in den gähnend leeren Büchel-Arkaden ist Ibrahim Bozkir. Er macht kaum noch Umsatz, weil die Laufkundschaft fehlt. Angeblich gibt es aber bald zwei neue Nachbarn.

Foto: Andreas Woitschützke

Manchmal sitzt Ibrahim Bozkir vor seinem Laden und schaut die Passage hinunter. Manchmal ist er aber auch einfach hinter seiner Ladentheke und schaut, was sonst noch zu tun ist in seinem Schuh- und Schlüsseldienst. Wenn er das Radio ausschaltet, dann hört man die Lüftung rauschen. Und der Flur wirft ein Echo zurück, wenn Bozkir mit seiner kräftigen Stimme von seinem Geschäft spricht. Es läuft nicht sehr gut. Eigentlich läuft es gar nicht. Er macht die Kasse auf und zieht die Abrechnungen der Vortage heraus. Dienstag 70 Euro Umsatz. Montag 150 Euro. An guten Tagen sind es 200 Euro.

Zahlen eines Geschäfts, mitten in der Neusser Innenstadt. Es hat nur den Nachteil, dass es in der wohl einsamsten Einkaufspassage der Welt liegt: den Büchel-Arkaden. Bozkir ist mit seinem Schlüsseldienst der einzige verbliebene Gewerbetreibende in der Passage.

Seit 1998 ist er selbstständig, war vorher lange Angestellter bei der Kette "Mister Minit". "Seit zwei Jahren warte ich jetzt, dass es besser wird", sagt er. Er macht Umsatz nur noch mit der Stammkundschaft. Laufkundschaft, für einen Dienstleister wie ihn ganz wichtig, gibt es kaum. Eine Frau huscht auf quietschenden Sohlen durch die verwaiste Ladenzeile. "Ich gehe hier durch, weil ich hier durch muss", erklärt Katharina Geller ihre Abkürzung durch die Arkaden. "Früher war das so schön hier. Es gab so nette Geschäfte, ich war oft da", sagt sie. "Die müssen sich hier mal was einfallen lassen."

Das findet Bozkir auch, der mit seinem Geschäft mittlerweile die finanziellen Reserven aufgezehrt hat. "Selbst wenn meine Kunden sich freuen und mich loben: ,Tapfer gehalten!' So kann ich nicht weitermachen", sagt der 53-Jährige, Vater dreier Kinder.

So soll es auch nicht weitergehen, hofft zumindest Jürgen Cleve, der als Makler Interessenten für den Besitzer der schwierigen Immobilie auftreiben soll - und damit nach eigenen Angaben zuletzt sogar Erfolg hatte. In Kürze sollen ein Wäsche-Dienstleister und ein Kosmetiker einziehen. Entsprechende Mietverträge seien bereits nach München zum Eigentümer Eagle 18 Immobilien-Verwaltungs GmbH unterwegs. Er hatte sogar vier Interessenten unterschriftsreif, doch die sprangen wieder ab, weil die Verträge nur mit einer kurzen Laufzeit vergeben werden sollen. "Die Vermieterseite plant, nur noch Mietverträge mit einem kurzen Zeitraum einzugehen", sagt Cleve. "Das erschwert meine Vermietungsbemühungen, da Mieter in der Regel mindestens drei Jahre mieten möchten." Wer investiert schon viel Geld in ein schmuckes Ladenlokal, wenn er nicht weiß, ob er nach nur einem Jahr wieder raus muss? Cleve ist überzeugt: "Wenn ich längerfristige Mietverträge anbieten könnte, dann wären die Büchel-Arkaden im nächsten Jahr zum Großteil vermietet."

Daran scheiterte auch die Vermietung an ein Reisebüro, auf das sich Bozkir so gefreut hatte. Lange hing im Ladenlokal gegenüber der Vermerk "vermietet". Am Dienstag wurde der Zettel wieder entfernt. So bleiben die meisten Schaufenster in der Passage leer oder verziert mit Plakaten der Aktionswoche zum Thema Online-Einkauf von vor einem Jahr. Ibrahim Bozkir macht das traurig. "Aber auch, wenn ich nur 50 Euro Umsatz hatte", sagt er, "wenn ich nach Hause komme und meine vierjährige Tochter sehe, sind alle Probleme vergessen."

(NGZ)
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