Neuss Inklusion: Den Schulen fehlt das Personal

Neuss · Seit ihrer Gründung vor vier Jahren ist die Gesamtschule Nordstadt eine "inklusive Schule". Das Fazit der Schulleitung fällt ernüchternd aus.

 Schulleiter Olaf Templin und seine Stellvertreterin Ute Deckers sagen: "Inklusion, wie sie im Land NRW läuft, ist ein Sparmodell."

Schulleiter Olaf Templin und seine Stellvertreterin Ute Deckers sagen: "Inklusion, wie sie im Land NRW läuft, ist ein Sparmodell."

Foto: Andreas Woitschützke

Mit dem Thema Inklusion hat die Gesamtschule Nordstadt schon länger Erfahrung, als das eigentliche Gesetz dazu in Kraft ist. Seit ihrer Gründung vor vier Jahren ist sie eine "inklusive Schule". In der praktischen Umsetzung heißt das: Pro Jahrgang werden acht Kinder mit besonderem Förderbedarf aufgenommen und gleichmäßig auf die vier Klassen verteilt. Wenn Schulleiter Olaf Templin jedoch eine Halbjahresbilanz nach Inkrafttreten des Gesetzes ziehen soll, klingt sein Fazit enttäuscht: "Inklusion, wie sie im Land NRW läuft, ist ein Sparmodell. Wir haben jedenfalls nicht genügend Ressourcen. Der Anspruch, mit dem wir vor vier Jahren gestartet sind, lässt sich nicht durchhalten."

37 Förderkinder mit unterschiedlichsten Bedarfen besuchen mittlerweile die Gesamtschule an der Leostraße. Für vier weitere Kinder haben die Eltern bereits Anträge gestellt. Diesen Kindern stehen fünf Sonderpädagogen zur Verfügung, zwei von ihnen sind Teilzeitbeschäftigte. Doch bei 16 Klassen und rund 80 Wochenstunden Sonderpädagogik ergebe das gerade mal fünf sonderpädagogische Stunden pro Klasse in der Woche, erzählt Ute Deckers, stellvertretende Schulleiterin. Das sei entschieden zu wenig.

Denn manche Kinder benötigen ganz besondere Unterstützung. Bis vor kurzem hatte die Gesamtschule Nordstadt ein emotional-sozial gestörtes Förderkind, das mit Möbeln um sich warf. "Wenn es tobte, konnte ich es kaum festhalten", erzählt Templin, ein schwergewichtiger Zwei-Meter-Mann. Die Anfälle des Kindes waren gefährlich für alle Beteiligten. Jetzt ist das Kind wieder auf einer Förderschule. Deckers: "Wir können nicht alles leisten."

Deshalb hat sich die Gesamtschule entschlossen, ein neues System einzuführen. "Wir haben jetzt zwei sogenannte Support-Räume, die montags bis freitags mit Sonderpädagogen besetzt sind. Hier findet dann klassen- und jahrgangsübergreifender Unterricht ganz individuell für die jeweiligen Förderkinder statt", erklärt Templin. Glücklich über diese Entwicklung sei keiner, gibt Deckers zu. "Denn so haben wir das System einer Förderschule in der integrativen Klasse - was wir hier eigentlich nie haben wollten."

Die Gesamtschule Nordstadt hat die meisten Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Neuss, dicht gefolgt von der Realschule Südstadt mit 35 Förderkindern. Zahlen, die die stellvertretende Vorsitzende des Neusser Schulausschusses, Stephanie Wellens, erst auf Nachfrage von der Bezirksregierung erhalten hat. Wie viele Sonderpädagogen an den jeweiligen Schulen in wie vielen inklusiv geführten Klassen arbeiten, konnte sie nicht erfahren. "Die kommunale Schulpolitik, die gemeinsam mit der städtischen Schulverwaltung 'Schulträger' ist, ist ausschließlich für die Gebäude und deren Ausstattung zuständig", erklärt die CDU-Politikerin, die zehn Jahre lang Vorsitzende des Schulausschusses war. "Auf die Personalausstattung hat der Schulträger keinen Einfluss."

Wellens treibt das Thema Inklusion besonders um. Sie fürchtet, dass es an den Schulen des Gemeinsamen Lernens erheblich an der Personalausstattung hapert. Genaue Zahlen zu erhalten, ist aber fast aussichtslos. Zum einen wurden mit dem neuen Gesetz die vorher genau geregelten Stundenzuweisungen pro Kind abgeschafft. Zum anderen hat der Schulausschuss kein Recht auf Informationen dazu.

(bab)
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