Iracity Cardoso Jede Choreographie soll eine Herausforderung sein

Neuss · Die Chefin des Balé da Cidade liebt es, schon bei den Proben zuzuschauen. Samstag war das Ballett in Neuss bei den Tanzwochen zu Gast.

 Das Balé da Cidade machte auch auf seiner Europatournee auch in Neuss Station und beendete damit die Tanzwochen-Saison.

Das Balé da Cidade machte auch auf seiner Europatournee auch in Neuss Station und beendete damit die Tanzwochen-Saison.

Foto: Sylvia Masini

Neuss Das Balé de Cidade de São Paulo war schon fünf Mal zu Gast bei den Internationalen Tanzwochen Neuss. Erstmals im Jahr 2002, zuletzt am vergangenen Samstag. Doch sollte man nicht von netter Routine sprechen. Die Tanzkompanie am Stadttheater der Millionenmetropole wird seit 2013 von Iracity Cardoso geleitet, und sie sorgt dafür, dass sowohl die Tänzer sich entwickeln als auch das Repertoire. Geboren 1945 in São Paulo, begann sie ihre Ballerinakarriere in Brasilien, tourte bald auch in europäische Städte, wurde vom neu ernannten Ballettdirektor in Genf als Assistentin engagiert, tanzte auch weiterhin, leitete 1996 bis 2003 das Ballet Gulbenkian in Lissabon und kehrte dann nach Brasilien zurück.

 Iracity Cardoso leitet die Compagnie seit 2013.

Iracity Cardoso leitet die Compagnie seit 2013.

Foto: Sylvia Masini

Was ist ein guter Tänzer?

Iracity Cardoso Er oder sie muss intelligent sein, muss all die Möglichkeiten des Körpers kennen, der Seele, des Herzens, des Kopfes und muss das alles kombinieren können. Das ist mehr als reine Tanztechnik. Superschnell die Bewegung zu verstehen plus die Idee dahinter.

Wie viele Tänzer hat Ihre Kompanie?

Cardoso 34, auf die Tournee kommen 26 mit, wir haben Zweitbesetzungen für alle Fälle. Ihre Altersspanne reicht von 22 bis 44 Jahren. Das ist großartig: die Energie der Jugend und die Reife der Älteren, es ist ein Austausch, jeder lernt von jedem.

Choreographieren Sie selber?

Cardoso Nein, Ich habe dafür kein Talent. Aber ich gehe fast täglich in den Ballettsaal und schaue bei den Proben für neue Choreographien zu. Ich liebe das Studio. Und die Bühne. Das ist doch das Schönste: die Kreation.

Sie übernehmen also weniger fertige Stücke, sondern vergeben lieber Aufträge, damit Choreographen mit der Kompanie arbeiten.

Cardoso Ja, dafür möchte ich gern eine jüngere Generation aus Europa oder Nordamerika heranholen. Auch brasilianischen will ich Chancen geben. Wegen des ungünstigen Wechselkurses des Real werden Künstler von auswärts leider immer teurer. Die Stücke werden dann in São Paulo meist mit Orchester aufgeführt; darauf stellen sie sich bei der Musikauswahl natürlich ein.

Für welchen Stil steht die Kompanie?

Cardoso Es gibt nicht den einen Stil des Balé da Cidade. Die Choreographien sollen eine Herausforderung für die Tänzer sein und fürs Publikum. Auch für mich. Also möglichst spannend, ein Risiko.

Das Balé da Cidade ist jetzt 48 Jahre alt. Seine erste Europatournee war 1996 mit einem Auftragswerk von Germaine Acogny für ein Festival in Lyon. 100 Mal wurde es aufgeführt. Es zeigte ein Afrika-orientiertes Image von Brasilien. Heute würde das Stück altmodisch wirken. Gibt es eine speziell brasilianische Tanzästhetik?

Cardoso Wie sind so kosmopolitisch! São Paulo ist wie ein großes New York. Es gibt viel Leidenschaft, Temperament, auch etwas Wildes, das gilt für die Kultur im Allgemeinen, also auch für das, was auf der Bühne ist, was die Tänzer sind. Mein Vater war Österreicher, meine Mutter italienischen Ursprungs. Was heißt schon pur brasilianisch? Die Tänzer der Kompanie kommen zwar alle, bis auf einen Kubaner und einen Argentinier, aus Brasilien; doch sind sie meist Kinder, Enkel oder Urenkel von Einwanderern.

M. SUCHY FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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