Neuss Jugendliche lernen Umgang mit Medien

Neuss · Acht- und Neuntklässler werden in einer aufwendig gestalteten Ausstellung im Jugendhaus Greyhound Pier 1 mit ihrem Medienkonsum konfrontiert.

 Pädagoge Björn Mertens mit Schülern der Maximilian-Kolbe-Schule.

Pädagoge Björn Mertens mit Schülern der Maximilian-Kolbe-Schule.

Foto: woi

Wie hypnotisiert starren die beiden Schüler der 9D der Maximilian-Kolbe-Schule auf den Bildschirm. Dabei spielen sie ein fast 20 Jahre altes pixeliges Videospiel, bei dem es nur einen Knopf gibt und das gegenüber den heutigen virtuellen Welten total verblasst. Sie sitzen in einer krummen Haltung, die schon beim Zusehen weh tut. Denn damit sie spielen können, mussten sie ihre Hände durch zwei Eisenringe zwängen und ihr Kinn auf einem Brett stützen. "Kennt ihr diese Haltung?" fragt Björn Mertens die Schüler. "Ja, wenn es beim Zocken ernst wird, dann sitze ich auch so da", ruft einer der Schüler.

Diese Konstruktion gehört zum Medienparcours, einer Ausstellung in der Jugendeinrichtung Greyhound Pier 1, die sich an Acht- und Neuntklässler richtet. Der Name ist dabei Programm. Denn die Ausstellung behandelt den Medienkonsum von Jugendlichen und ist zugleich multimedial und interaktiv - virtuelle Moderatoren führen durch den Rundgang, Videos werden gezeigt, und Stimmen von Band sind zu hören. "Wir wollen so die Lebenswelt der Jugendlichen ansprechen", sagt Sozialpädagogin Renate Wenning vom Jugendzentrum und Kollegin von Mertens.

Denn diese würden Medien ganz anders als Erwachsenen nutzen. Oft laufen Fernsehen, Computer und Smartphone parallel und würden permanent konsumiert. "Wir wollen die Jugendlichen dazu bringen, ihren eigenen Medienkonsum zu reflektieren", erklärt Wenning. Denn bei übermäßiger Nutzung drohen zahlreiche Gefahren.

So können Jugendliche unter Übergewicht und gesundheitliche Probleme bekommen, wenn sie stundenlang vor dem Bildschirm hocken und sich gar nicht mehr bewegen. Damit sich die Schüler der Maximilian-Kolbe-Schule das bewusst machen, gibt es die Konstruktion mit den Eisenringen. "Weil sie von Videospielen so gefesselt sind, haben wir sie regelrecht gefesselt", erklärt Mertens. Vorher haben die 14- bis 15-Jährigen ein kurzes Video gesehen, in dem zwei Moderatoren eine kurze Einführung gegeben haben.

Diese führen als virtuelle Moderatoren durch den Rundgang und treten an jeder der vier Stationen auf, die in der großen Halle der Jugendeinrichtung aufwendig aufgebaut sind. Danach werden die Jugendlichen selbst aktiv und müssen sich Situationen stellen. "Uns war es wichtig, dass der Rundgang interaktiv ist und verschiedene Sinneseindrücke bietet", erklärt Wenning. Zusammen mit ihrem Kollegen Mertens leitet sie Jugendliche an. Neben der Bewegungsarmut werden Themen wie Spielesucht, Vereinsamung, Mobbing, Manipulation in den Medien aber auch Sexualität behandelt.

So sehen die Jugendlichen ein Video, in der ein Chat-Verlauf zwischen einem 14-jährigen Mädchen und einem erwachsenen Mann, der sie manipuliert und sich mit ihr treffen möchte, nachgesprochen wird. Aufmerksam schauen die Schüler zu. "Voll der Klassiker", sagt ein Schüler, die anderen nicken. Davor wurden sie schon oft gewarnt, daher geht die Diskussion schnell weiter. Mertens spricht mit den Jugendlichen, wie einfach es im Internet ist, an Pornos zu gelangen, und was daran gefährlich ist. Die Jugendlichen sind erstaunlich ernsthaft bei der Sache.

Konzipiert und gebaut haben den Parcours die beiden Mitarbeiter vom Greyhound Pier 1 sowie die beiden Künstler Axel Naß und Nils Kemmerling in mehreren Monaten. Die verschiedenen Stationen sind durch gestaltete Stellwänden voneinander abgegrenzt. Die Videos werden mit Beamern projiziert. So ist die Ausstellung mobil, und soll später an Schulen oder andere Jugendeinrichtungen verliehen werden. "Wir sollen Impulse liefern", sagt Wenning. In Schulen und in der Jugendarbeit könne dann daran angeknüpft werden.

(NGZ)
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