Neuss Junge Flüchtlinge brauchen Betreuung

Neuss · Das Jugendamt ist für die minderjährigen Flüchtlinge zuständig, die ohne Verwandte Deutschland erreichen. Die Neusser Schutzstelle ist bereits überbucht, Plätze wurden jüngst in einer leerstehenden Kita eingerichtet.

Flüchtlinge NRW: So verteilen sie sich auf die Städte
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In diesen NRW-Städten sind die meisten Flüchtlinge untergebracht

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Foto: dpa, awe

Sie sind allesamt männlich, zwischen 15 und 17 Jahre alt, kommen aus Afghanistan, Syrien oder Indien, haben mehrere tausend Kilometer Flucht hinter sich und sind allein: Rund 60 sogenannte Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben derzeit unter Obhut des Jugendamtes Neuss. Die elternlosen Flüchtlinge fallen unter die Jugendhilfe, da sie als besonders schutzbedürftig gelten. Das Jugendamt ist zur sofortigen Inobhutnahme dieser Kinder und Jugendlichen verpflichtet, sobald sie in Neuss - meist durch Polizei oder in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) - aufgefallen sind.

"Die Schutzstelle für Inobhutnahmen ist bereits überbucht", sagt Markus Hübner, Leiter des städtischen Jugendamts. Daher habe man 20 neue Plätze in einer leerstehenden Kita geschaffen. Und kürzlich bot ein Hotel an, 20 jungen Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung wird durch einen Sicherheitsdienst gewährleistet.

Viele Jugendämter in NRW haben ihre Belastungsgrenze aber auch erreicht. "Das gilt auch für uns", sagt Hübner. Dennoch ist er voll des Lobes - wie im gestrigen Jugend- und Sozialausschuss bei seinem Statusbericht zum Umgang mit den minderjährigen Flüchtlingen, die keine Sorgeberechtigten haben, deutlich wurde. "Die Zusammenarbeit mit Polizei, Amtsgericht und Freien Trägern ist vorbildlich", sagt Markus Hübner.

Auch verwaltungsintern wurde rasch gehandelt. Ein neues Sachgebiet wurde eingerichtet, interne Umsetzungen vorgenommen und sechs neue Stellen ausgeschrieben. Vier davon entfallen auf das Jugendamt, zwei weitere auf die städtische Einrichtung Sprung, deren Team sich um betreutes Wohnen junger Menschen kümmert.

"Wir rufen nicht schnell nach mehr Personal", sagte Markus Hübner, aber beide Aufgaben - sowohl die reguläre Inobhutnahme schutzbedürftiger Kinder und Jugendlicher als auch der minderjährigen Flüchtlinge - seien gleichrangig wichtig.

Einige der geflüchteten Jugendlichen seien schwersttraumatisiert, berichtet er. So wie der 17-jährige Sikh, dessen Eltern in Indien aufgrund religiöser Streitigkeiten ermordet wurden. Das Jugendamt vermittelte ihm Unterbringung und medizinische Hilfe. "Der Junge hat sein Aussehen verändert, weil er nach wie vor große Angst hat, auch hier gefunden zu werden", sagt Hübner. Ähnlich erging es dem jungen Afghanen, dessen Brüder ermordet wurden, und der dann über Pakistan, Iran, Türkei, Bulgarien und Österreich nach Deutschland geflohen war. Nach einer schweren depressiven Phase hat er in einer betreuten Wohnform Alltagsstruktur und Sicherheit gefunden. Mittlerweile geht er zur Berufsschule.

"Den Kindern und Jugendlichen zu helfen, kann nur durch passgenaue Angebote gelingen", sagt Abteilungsleiterin Ursula Gondorf. Dafür seien intensive Gespräche und diverse Betreuungsangebote erforderlich. Zunächst müsse festgestellt werden, ob Verwandte haben. Werden keine gefunden, bestellt das Gericht einen Vormund - meist Mitarbeiter der katholischen Sozialdienste oder der Diakonie.

(NGZ)
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