Neuss Junge Muslime vor Salafisten schützen

Neuss · Wie können Jugendliche davor bewahrt werden, in die gewaltbereite salafistische Szene abzurutschen? Diese Frage beschäftigt die Moscheegemeinden ebenso wie Politik und Verwaltung. Neuss setzt dabei zuerst auf Job und Ausbildung

 "Arbeit ist eine Voraussetzung für Integration": Jürgen Steinmetz.

"Arbeit ist eine Voraussetzung für Integration": Jürgen Steinmetz.

Foto: Kreis

Die Zahl extremistischer Salafisten in Nordrhein-Westfalen steigt an. Das nehmen auch die Vertreter der islamischen Moschee- und Kulturvereine in Neuss wahr, die sich Sorgen um ihre jugendlichen Mitglieder machen. Sie rufen nach Hilfsangeboten, um junge Menschen davor zu bewahren, in die Radikalisierungsfalle zu laufen. Und sie finden damit Gehör.

In einem ersten Schritt sollen junge Muslime demnächst gemeinsam von Kreisverwaltung, Jobcenter, Arbeitsagentur und den Moscheevereinen an einem Samstag eingeladen werden. Es soll keine Veranstaltung mit warnendem oder belehrendem Charakter sein, sondern, wie Jürgen Steinmetz als allgemeiner Vertreter des Landrates betont, durch praktisches Tun überzeugen. Es geht um Hilfe bei Bewerbungen und Informationen der Arbeitsvermittlung, kündigte Steinmetz an. Denn: "Arbeit und Beschäftigung sind eine wesentliche Voraussetzung für Integration und Teilhabe", sagt er.

Arbeit und Wohnung alleine reicht aber nicht aus, um das Abrutschen in Extreme zu verhindern, sagt die Norfer Stadtverordnete Waltraud Beyen. "Wir wissen von einem Neusser, der beides hatte und trotzdem verschwunden ist", sagt sie. Sie vermutet diese Person in Syrien, dem Ziel etlicher extremistischer Muslime aus Deutschland, die sich dort dem Dschihad anschließen wollen, dem heiligen Krieg. Neben Angeboten zur Prävention, so berichtet sie aus den Gesprächen mit Vertretern der islamischen Vereine unter dem Dach der "Union für Vielfalt" (früher: Deutsch-Türkisches Forum), würden diese Vereine auch danach fragen, was man solchen Menschen anbieten kann, wenn sie zurückkommen und nicht weiter wissen. Dann müsste schon von Aussteigerprogrammen gesprochen werden, sagt Steinmetz, und stellt klar: "Das ist dann nicht mehr unsere Baustelle."

In Neuss wird die Debatte auch unter dem Eindruck des Kulturvereins an der Bonhoeffer-Straße in Weckhoven geführt, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird und als "extremistische salafistische Bestrebung" eingeschätzt wird. Aber andere Städte im Land stehen vor dem gleichen Phänomen. In Düsseldorf, Bochum und Bonn hat das Land Nordrhein-Westfalen auf Initiative des Verfassungsschutzes gemeinsam mit Akteuren vor Ort deshalb jetzt das Programm "Wegweiser - gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus" gestartet, das, so Innenminister Ralf Jäger, "früher ansetzt und breiter wirkt als ein Aussteigerprogramm." Präventiv ausgerichtet, soll es den Einstieg junger Menschen in die gewaltbereite salafistische Szene verhindern. Dabei setzt das Land auch aus den religiösen Dialog mit den Moscheegemeinden. Denn, so Jäger, "es geht um junge Menschen, die religiöse Antworten auf ihre Fragen suchen."

Im Frühjahr ist "Wegweiser" auch mit der Absicht gestartet worden, das Projekt mit Hilfe des Landes auf weitere Kommunen auszudehnen, sobald erste Erfahrungen aus den ersten drei Städten vorliegen. Dabei gehe man beim Land derzeit von keiner zeitlichen Befristung aus, betont Jörg Rademacher, der Sprecher des Innenministeriums. Dass aus der "Union für Vielfalt" ein Vorstoß in gleicher Richtung erfolgt, wertet Rademacher als produktiv. Eine Bewerbung, um in einer zweiten Ausbaustufe Projetkommune zu werden, hält er für vorstellbar.

(NGZ)
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