Neuss Kabarett mit klarer Haltung

Neuss · Wilfried Schmickler gastiert wortgewaltig und zynisch im Landestheater.

 Wilfried Schmickler gastierte im Landestheater.

Wilfried Schmickler gastierte im Landestheater.

Foto: abz

Als Wilfried Schmickler im Rheinischen Landestheater (RLT) die Bühne betritt, klemmt eine Firma unter seinem Arm. Die habe er kürzlich gegründet, sagt der Kabarettist. Dann dreht er den Metallkasten zum Publikum: Es ist ein Briefkasten. "In der Pause können Sie da gerne was reinlegen. Ich lasse das dann verschwinden", sagt Schmickler, in Anspielung auf die "Panama Papers" genannten Enthüllungen über Briefkastenfirmen.

Damit ist der Ton gesetzt für den Abend. Ein ausverkauftes Rheinisches Landestheater erlebt einen glänzend aufgelegten Wilfried Schmickler. Wobei der 61-Jährige vor allem dadurch besticht, wie er sich über die Schlechtigkeit der Welt auslässt. Bei Schmickler bekommt jeder einen mit: Die Reichen, das Fernsehen, Internet, Krankenkassen, Parteien, der Kölner Karneval, Diät-Trends und vor allem die AfD, Pegida und Wutbürger. Zum Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, bei der die AfD auf 24,3 Prozent kam, sagt er: "Das war keine Wahl, sondern Schiffe versenken. Die Leute kreuzen vor Wut im Wahllokal wild rum." Aber auch die Sozialdemokratie ist ein Lieblingsziel Schmicklers: "Die SPD ist zu einem Haufen kleiner Jammerlappen verkommen, denn die reden das auch noch schön."

In dem Stil pflügt er sich durch die wichtigen Themen unserer Zeit. Mit klarer Haltung, wortgewaltiger Sprache, allzeit präsentem Zynismus und einem guten Gespür für das Timing beim Setzen von Pointen. Im Zwiegespräch mit einer Stimme aus dem Off, mit Einträgen aus seinem "Tagebuch eines Gratwanderers" und mit fein getexteten Liedern.

Doch da zeigen sich auch die Schwächen des Wilfried Schmickler: Die Lieder spricht er mehr, als dass er sie singt, die Musik vom Band ist zu beliebig, dem Programm fehlt der rote Faden, die Überleitungen sind zum Teil holprig. Doch darüber trösten viele wunderbare Sätze hinweg. Etwa: "Wenn besorgte Bürger sagen, Deutschland sei nicht das Sozialamt der Welt, dürfen Brasilianer dann auch sagen, sie seien nicht das Gewächshaus der Welt?" Oder: "Die Hölle ist es, wenn ich einem Freund beim Umzug helfen muss, der als Hobby Waschmaschinen sammelt." Und auch dem einsetzenden, begeisterten Applaus begegnet Schmickler dann auf seine Weise: "Sie müssten jetzt klatschen, ich würde rausgehen, reinkommen, rausgehen, reinkommen. Sollen wir uns das sparen?", fragt er und beginnt sofort mit der Zugabe bevor er leise von der Bühne verschwindet.

(NGZ)
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